1. Internationales Erbrecht

 

Rz. 273

Für alle nach dem 17.8.2015 eintretenden Erbfälle bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht aus österreichischer Sicht nach den Regeln der EuErbVO, Art. 83 EuErbVO.

Für die Formwirksamkeit von Testamenten gilt für Österreich gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO vorrangig vor Art. 27 EuErbVO vorrangig das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961. Da das Übereinkommen Erbverträgen sowie Erb- und Pflichtteilsverzichtsvereinbarungen nicht erfasst, gilt hierfür die allgemeine Regel in Art. 27 EuErbVO.

 

Rz. 274

Sind zwei Personen in Eigentümerpartnerschaft gem. § 2 Abs. 10 östWEG Eigentümer einer in Österreich belegenen Eigentumswohnung, so wächst – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung – nach § 14 Abs. 1 S. 1 östWEG der Anteil des Verstorbenen dem Überlebenden ex lege an. Dafür hat er gem. § 14 Abs. 2 östWEG einen Ausgleich (Übernahmspreis) in Höhe des Verkehrswerts in den Nachlass zu zahlen. Da sich dieser sondergesetzlich geregelte Eigentumsübergang außerhalb des Verlassenschaftsverfahrens vollzieht, ist die Eigentümerpartnerschaft in besonderer Weise geeignet, nach einem deutschen Erblasser die Notwendigkeit eines Verlassenschaftsverfahrens in Österreich zu vermeiden. Will der Erblasser den Miteigentümer von der Zahlung zum Ausgleich befreien, so kann er dies im Wege des Vermächtnisses (Vorausvermächtnisses) tun. Für diese Sonderregelung nehmen die Österreicher das Privileg des Art. 30 EuErbVO in Anspruch. Diese Regelung wird sich daher vor österreichischen Gerichten auch gegenüber einem deutschen Erbstatut durchsetzen.

 

Rz. 275

Muster 26.44: Befreiung vom Übernahmspreis für österreichische Eigentumswohnung bei deutschem Erblasser

 

Muster 26.44: Befreiung vom Übernahmspreis für österreichische Eigentumswohnung bei deutschem Erblasser

Gemeinsam mit _________________________ bin ich Miteigentümer einer in Kitzbühel belegenen Eigentumswohnung. Die Verpflichtung zur Zahlung des Übernahmspreises im Fall meines Vorversterbens erlasse ich ihm hiermit. Dieser Erlass erfolgt als Vorausvermächtnis.

Weitere Besonderheit des österreichischen WEG ist, dass das Eigentum an einer Eigentumswohnung nicht mehr als zwei Personen zustehen kann. Insoweit kann daher das Eigentum an einer österreichischen Eigentumswohnung nicht auf eine aus mehr als zwei Personen bestehende Erbengemeinschaft übergehen.

2. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht

 

Rz. 276

Gesetzliche Erben der ersten Linie sind gem. § 731 Abs. 1 ABGB die Abkömmlinge des Erblassers. Zur zweiten Linie gehören die Eltern, § 735 ABGB. Ist ein Elternteil vorverstorben, treten seine Abkömmlingen (also die Geschwister, Nichten und Neffen etc. des Erblassers) in sein Recht ein, § 736 ABGB. Der Ehegatte erhält neben Abkömmlingen eine Quote in Höhe von ⅓. Neben Eltern und Geschwistern erhält er ⅔, § 757 ABGB. Als gesetzliches Vorausvermächtnis erhält er ein Wohnrecht an der ehelichen Wohnung und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, § 758 ABGB. Gleiches gilt seit dem 1.1.2010 für den Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen "Lebenspartnerschaft". Gesetzlicher Güterstand ist im österreichischen Recht nach ABGB die "Gütertrennung", § 1237 ABGB. Die Teilung der ehelichen Ersparnisse und des Hausrats nach den §§ 81 ff. EheG wird ausschließlich im Fall der Scheidung durchgeführt. Im Erbfall findet also die "erbrechtliche Lösung" statt.

 

Rz. 277

 

Gestaltungshinweis

Der EuGH hat nun klargestellt, dass aufgrund der erbrechtlichen Rechtsnatur der Erhöhungsviertels aus § 1371 Abs. 1 BGB diese Vorschrift ausschließlich bei Geltung deutschen Erbstatuts zur Anwendung kommt.

Gilt österreichisches Erbrecht und leben die Eheleute in Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts, so erhält der überlebende Ehegatte daher die gesetzliche Quote aus § 731 Abs. 1 ABGB (ein Drittel bzw. ⅔) und dazu den rechnerischen Zugewinnausgleich aus § 1372 ff. BGB – vorausgesetzt, dass der Verstorbene den höheren Zugewinn erzielt hat. Da der Ausgleich steuerfrei ist und den Nachlass z.B. auch bei der Berechnung der Pflichtteile mindert, kann sich hieraus im Einzelfall ein Gestaltungsvorteil ergeben.
Gilt deutsches Erbrecht und leben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand des österreichischen Rechts, so ist § 1371 Abs. 1 BGB als Vorschrift rein erbrechtlicher Natur zur Anwendung berufen. Das zusätzliche Viertel kann aber nur dann gewährt werden, wenn der gesetzliche Güterstand des österreichischen Rechts eine "Zugewinngemeinschaft" i.S.v. § 1371 Abs. 1 BGB darstellt (Substitution). Das ist m.E. zu bejahen,[148] da auch das österreichische Recht für den Zugewinnausgleich im Erbfall allein die "erbrechtliche Lösung" kennt.
In der Literatur finden sich diverse Versuche, einen Gleichlauf zwischen Erb- und Güterstatut zu erreichen. Praktisch ist das allein dann möglich, wenn beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und daher gem. Art. 26 EuGüVO und gem. Art. 22 EuErbVO deutsches Erb- und Güterstatut durch Rechtswahl auch für den Fall festlegen können, dass im ersten Erbfall der Verstorbene seinen gewöhnlich...

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