1. Internationales Erbrecht
a) Geltung der EuErbVO
Rz. 346
Für alle nach dem 17.8.2015 eintretenden Erbfälle wird sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht aus spanischer Sicht nach den Regeln der EuErbVO richten, Art. 83 EuErbVO.
b) Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit für vor dem 16.8.2015 eingetretene Erbfälle
Rz. 347
Bis zum 16.8.2015 eingetretene Erbfälle unterliegen gem. Art. 9.8 des spanischen Código Civil (CC) dem Heimatrecht des Erblassers im Augenblick seines Todes. Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit hat die spanische Staatsangehörigkeit stets Vorrang, Art. 9.9 S. 2 CC, ansonsten entscheidet, in welchem seiner Heimatstaaten der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Art. 9.9 S. 1 CC.
Rz. 348
Die Verweisung auf das Heimatrecht in Art. 9.8 CC gilt ausdrücklich "unabhängig davon, welches auch immer die Natur seiner Güter oder das Land ist, in dem sie sich befinden." Dadurch wird der Grundsatz der Nachlasseinheit betont. Die Rechtsprechung duldet selbst im Rahmen einer Rückverweisung keine Nachlassspaltung, sondern lässt die Rückverweisung in solchen Fällen unbeachtet. Auch in Spanien belegene Grundstücke eines deutschen Erblassers werden also ausschließlich nach deutschem Recht vererbt.
Rz. 349
Seit 1990 unterliegen die Rechte, die der überlebende Ehegatte kraft Gesetzes erhält dem Recht, welches die Ehewirkungen regelt. Vorbehalten sind die Pflichtteile der Abkömmlinge (Art. 9.8 S. 3 CC). Zweck dieser Bestimmung ist es, Angleichungsprobleme zwischen dem Erb- und dem Güterstatut zu vermeiden. In Spanien war die Reichweite dieser "Spaltung" des Erbstatuts – ob also auch seine gesetzliche Erbquote und seine Pflichtteilsrechte dem Ehewirkungsstatut unterliegen – umstritten. Die Literatur und der Tribunal Supremo gehen davon aus, dass z.B. bei deutschem Güterstatut der deutsche Ehegatte eines Spaniers trotz Geltung spanischen Erbstatuts eine echte Erbquote nach deutschem Erbrecht erhält; und im umgekehrten Fall bei Geltung spanischen Güterstatuts (allerdings nur aus spanischer Sicht) selbst bei deutschem Erbstatut nur den vom spanischen Recht vorgesehenen Nießbrauch.
Rz. 350
Testamentarische Verfügungen und Erbverträge, die gemäß dem Heimatrecht des Erblassers oder Verfügenden im Augenblick ihrer Abfassung wirksam sind, behalten gem. Art. 9.8 S. 2 CC ihre Gültigkeit, auch wenn später ein anderes Recht Erbstatut wird. Ein Statutenwechsel nach Errichtung lässt die Wirksamkeit der Verfügung also bestehen – wobei aber anders als im deutschen internationalen Erbrecht auch eine Heilung nichtiger Verfügungen durch Statutenwechsel möglich ist.
c) Geltung des Haager Testamentsformübereinkommens
Rz. 351
Für das Formstatut der Testamente gilt das Haager Testamentsformübereinkommen. Dieses hat gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO bei Testamenten und gemeinschaftlichen Testamenten Vorrang vor Art. 27 EuErbVO. Erb- und Erbverzichtsverträge waren früher nach der allgemeinen Formvorschrift in Art. 11.1 CC formwirksam, wenn sie den Formerfordernissen des Erbstatuts oder des Errichtungsortes entsprechend errichtet worden sind.
2. Interlokale Nachlassspaltung
Rz. 352
Einige autonome Gebiete Spaniens haben eigene erbrechtliche Regelungen (Foralrechte), die dort an die Stelle des im Código Civil (CC) kodifizierten "gemeinspanischen" Erbrechts treten. Die Foralrechte weichen vor allem in Bezug auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht, die Zulässigkeit von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten sowie den Umfang der Noterbrechte erheblich vom gemeinspanischen Recht ab. Ob und welches dieser Foralrechte anwendbar ist, bestimmen die interlokalen Kollisionsnormen im Einleitungsteil des CC. Das einschlägige Erbrecht wird danach anhand der vecindad civil (Gebietszugehörigkeit) des Erblassers bestimmt, Art. 9.8 i.V.m. Art. 16.1 CC. Bei dieser Anknüpfung an die vecindad civil handelt es sich um ein einheitliches interlokales Privatrecht i.S.v. Art. 36 Abs. 1 EuErbVO.
Rz. 353
Die vecindad civil erwirbt ein Spanier von den Eltern durch Abstammung. Hat er mindestens zehn Jahre lang seinen Wohnsitz in einem Gebiet, in dem ein anderes Recht (Foralrecht bzw. gemeines Recht) gilt, so wechselt die vecindad civil – sofern der Betroffene nicht eine gegenteilige Absicht geäußert hat. Gem. Art. 14.5 CC kann der Wechsel auch bereits nach zwei Jahren Aufenthalts erreicht werden, indem der Betreffende dem Zivilregister gegenüber eine entsprechende Erklärung abgibt. Die vecindad civil bleibt nach Wegzug in das Ausland bestehen. Auslandsspanier, die im Ausland ...