1. Internationales Erbrecht
Rz. 388
Ein einheitliches Internationales Erbrecht gibt es in den USA nicht. Vielmehr hat in den USA jeder der 50 Einzelstaaten nicht nur sein eigenes materielles Erbrecht, sondern auch sein eigenes Erbkollisionsrecht. Zumindest in den Grundzügen stimmen die kollisionsrechtlichen Regeln aber in den US-Staaten weitgehend überein. Dabei gelten diese Regeln nicht nur im Verhältnis zum Erbrecht ausländischer Staaten (internationales Erbrecht), sondern auch im Verhältnis der einzelnen US-Staaten zueinander (interlokales Erbrecht). Hierbei handelt es sich um "nicht vereinheitlichtes interlokales Kollisionsrecht" i.S.v. Art. 36 Abs. 2 EuErbVO, so dass bei Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers unmittelbar das Recht des Einzelstaates anzuwenden ist, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies ist also auch einzelstaatsbezogen zu ermitteln.
Rz. 389
Die Erbfolge des unbeweglichen Vermögens(immovable property) wird danach dem jeweiligen Belegenheitsrecht unterstellt. Das jeweilige Belegenheitsrecht entscheidet auch darüber, ob es sich bei einem Gegenstand um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt (Qualifikationsverweisung).
Rz. 390
Für die Erbfolge des beweglichen Vermögens(movable property) wird auf das Recht am letzten domicile des Erblassers verwiesen. Das domicile i.S.d. US-amerikanischen Rechtsordnungen befindet sich dort, wo jemand zu Hause ist, sein "home" hat. Ein doppeltes domicile ist nicht denkbar. Das domicile wird zunächst durch Geburt begründet. Dieses domicile of origin ist regelmäßig das gemeinsame domicile der Eltern. Eine volljährige Person kann ein eigenes domicile begründen (domicile of choice). Voraussetzung für die Begründung eines solchen domicile of choice ist, dass sich die betreffende Person in einem bestimmten Rechtsgebiet niedergelassen hat (residence). Hinzukommen muss die Absicht, dort ein domicile zu begründen. Diese Absicht (animus) liegt vor, wenn die betroffene Person an dem neuen Ort ständig oder zumindest für unbestimmte Zeit bleiben und nicht wieder zum ursprünglichen domicile zurückzukehren will. Ein Wille, endgültig zu bleiben, ist nicht erforderlich. Es genügt die Absicht, für eine unbestimmte Zeit zu bleiben. Typische Indizien für einen Bleibewillen sind der Ankauf oder die Anmietung einer Wohnung, der Umzug der gesamten Familie, die Aufgabe der alten Wohnung und die Aufnahme gesellschaftlicher Aktivitäten am neuen Wohnort. Problematisch dagegen sind berufsbedingte Aufenthalte.
Rz. 391
Hinweis
Trotz der im Vergleich zum englischen Recht reduzierten Bedeutung des subjektiven Elements ist die Feststellung des domicile in Einzelfällen mit Unsicherheiten verbunden. Hilfreich ist daher eine Einleitungsklausel im Testament, in der der Testator zu den Umständen Stellung nimmt, die für die Bestimmung des domicile entscheidend sind.
Rz. 392
Muster 26.61: Declaration of domicile
Muster 26.61: Declaration of domicile
Ich halte mich seit dem Jahr _________________________ in Deutschland auf. Hier lebe ich zusammen mit meiner Ehefrau, meinen Kindern, habe meine Arbeit und meinen allgemeinen Lebensmittelpunkt. Davor habe ich zuletzt im US-Staat Colorado gelebt. Ich bin zwar berufsbedingt nach Deutschland gekommen. Ich beabsichtige aber nun nicht mehr, in die USA dauerhaft zurückzukehren, sondern – auch über eine Beendigung meiner derzeitigen beruflichen Stellung hinaus – in Deutschland zu bleiben. Ich gehe daher davon aus, dass sich mein domicile i.S.d. Rechts der US-Staaten in Deutschland befindet.
Rz. 393
Freilich darf man eine solche Klausel nicht als Möglichkeit zu einer freien Rechtswahl missverstehen. Das domicile wird weiterhin anhand der objektiven und subjektiven Umstände zum Zeitpunkt des Todes bestimmt – wofür die declaration of domicile eines von mehreren Indizien geben kann.
Rz. 394
Rück- und Weiterverweisungen des ausländischen Rechts werden aus US-Sicht grundsätzlich nicht berücksichtigt.
Rz. 395
Die Gesetze einzelner US-Staaten geben dem Erblasser die Möglichkeit, das anwendbare Recht im Testament zu wählen. Das gewählte Recht ist in diesen Fällen allerdings regelmäßig nur für die Auslegung (construction) des Testaments maßgeblich. Das Recht von Illinois und New York lässt z.B. eine Rechtswahl auch für die Wirkungen des Testaments zu – allerdings beschränkt auf das in Illinois bzw. New York belegene (bewegliche) Vermögen und nur zugunsten des Rechts von Illinois bzw. New York.