a) Überblick
Rz. 6
Für gerichtliche Verfahren gilt Teil 3 VV unmittelbar, auch wenn der entsprechende Hinweis in der Überschrift zu Teil 3 VV bereits mit Inkrafttreten des FGG-ReformG weggefallen ist. Es wird also nicht unterschieden zwischen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Anwalt erhält grundsätzlich die gleichen Gebühren wie in einem bürgerlichen Rechtsstreit. Insoweit kann auf die Gebühren in Zivilsachen Bezug genommen werden. Allerdings ergeben sich hier einige Besonderheiten.
Rz. 7
Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit richtet sich gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nach dem Geschäftswert, der für die gerichtlichen Verfahren gilt. Er ergibt sich i.d.R. aus dem GNotKG und wird nach § 79 GNotKG oder nach § 33 RVG festgesetzt.
b) Erstinstanzliche Verfahren
aa) Überblick
Rz. 8
Erstinstanzliche gerichtliche Verfahren richten sich nach Teil 3 Abschnitt 1 VV, also nach den Nrn. 3100 ff. VV. Daneben können die Allgemeinen Gebühren nach Teil 1 VV sowie die Auslagen nach Teil 7 VV entstehen.
bb) Verfahrensgebühr
Rz. 9
Zunächst einmal erhält der Anwalt auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, die sich grundsätzlich auf 1,3 beläuft.
Rz. 10
Erledigt sich der Auftrag vorzeitig, bevor ein verfahrenseinleitender Antrag oder ein Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag oder eine Antragsrücknahme enthält, eingereicht oder bevor ein gerichtlicher Termin wahrgenommen wird, reduziert sich die Verfahrensgebühr – ebenso wie in sonstigen Verfahren – nach Nr. 3101 Nr. 1 VV auf 0,8.
Rz. 11
Ebenfalls reduziert sich die Verfahrensgebühr auf 0,8,
▪ |
soweit beantragt ist, eine Einigung der Parteien oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen (Nr. 3101 Nr. 2, 1. Alt. VV) oder |
▪ |
soweit Verhandlungen vor Gericht zur Einigung über solche Ansprüche geführt werden (Nr. 3101 Nr. 2, 2. Alt. VV). |
Rz. 12
Darüber hinaus entsteht in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Nr. 3101 Nr. 3, 2. Hs. VV ebenfalls nur eine auf 0,8 ermäßigte Verfahrensgebühr, wenn
▪ |
lediglich ein Antrag gestellt |
und
▪ |
eine Entscheidung des Gerichts entgegengenommen wird. |
Das gilt erst recht, wenn nur ein Antrag gestellt oder nur eine Entscheidung des Gerichts entgegengenommen wird.
Rz. 13
Der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3101 Nr. 3, 2. Hs. VV wird in Anm. Abs. 2 zu Nr. 3101 VV aber sogleich für streitige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere für Verfahren nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, wieder aufgehoben. In diesen Verfahren ist Nr. 3101 Nr. 3, 2. Hs. VV nicht anzuwenden. Es bleibt dann bei der vollen 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV.
Beispiel 1: Verfahren ohne Termin
Der Anwalt vertritt den Antragsteller in einem Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins. Der Antrag wird später wieder zurückgenommen. Der Geschäftswert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.
Der Anwalt erhält ebenso wie im bürgerlichen Rechtsstreit eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
1.241,50 EUR |
|
(Wert: 30.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.261,50 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
239,69 EUR |
Gesamt |
|
1.501,19 EUR |
Rz. 14
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV um 0,3 je weiteren Auftraggeber, höchstens um 2,0.
Beispiel 2: Mehrere Auftraggeber
Der Anwalt vertritt eine Erbengemeinschaft, bestehend aus drei Miterben, für die er einen Antrag auf Entlassung des Testamentsvollstreckers stellt (Geschäftswert: 20.000,00 EUR). Der Antrag wird später ohne mündliche Verhandlung zurückgenommen.
Die Verfahrensgebühr erhöht sich nach Nr. 1008 VV auf 1,9.
1. |
1,9-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV |
|
1.561,80 EUR |
|
(Wert: 20.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.581,80 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
300,54 EUR |
Gesamt |
|
1.882,34 EUR |
Rz. 15
Beispiel 3: Vorzeitige Erledigung
Der Anwalt erhält den Auftrag, ein Verfahren auf Abberufung eines Testamentsvollstreckers einzuleiten (Wert: 20.000,00 EUR). Bevor der Anwalt den Antrag fertiggestellt und eingereicht hat, erledigt sich das Verfahren. Der Antrag wird nicht mehr eingereicht.
Nach Nr. 3101 Nr. 1 VV ist nur eine 0,8-Verfahrensgebühr entstanden.
1. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV |
|
657,60 EUR |
|
(Wert: 20.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
677,60 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
128,74 EUR |
Gesamt |
|
806,34 EUR |
Rz. 16
Beispiel 4: Bloße Antragstellung und Entgegennahme der Entscheidung
Nach dem Tode des Erblassers übersendet der Anwalt im Auftrag des Alleinerben den Erbschein an das Grundbuchamt und beantragt die Umschreibung der Eigentumsverhältnisse (Geschäftswert: 30.000,00 EUR).
Es handelt sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Da der Anwalt – ohne in der Sache vorzutragen – nur einen Ant...