Rz. 287

Zu differenzieren ist zwischen der zum rechtlichen Ende verfallbaren und unverfallbaren Anwartschaft.

a) Verfallbare Anwartschaften – weniger als drei Jahre Betriebszugehörigkeit

 

Rz. 288

Die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen, nach denen eine Anwartschaft unverfallbar wird, sind in § 1b BetrAVG geregelt. Soweit diese Voraussetzungen nicht erreicht werden, liegt eine verfallbare Anwartschaft vor, es sei denn, es besteht ohnehin aufgrund von Entgeltumwandlung sofortige gesetzliche Unverfallbarkeit gem. § 1b Abs. 5 S. 1 BetrAVG. Nach § 1b Abs. 1 S. 1 BetrAVG bleibt die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, jedoch – ab 1.1.2018 – nach Vollendung des 21. Lebensjahres (bis zum 31.12.2017 nach Vollendung des 25. Lebensjahres; bis zum 31.12.2008 nach Vollendung des 30. Lebensjahres) endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens drei Jahre (bis zum 31.12.2017 fünf Jahre) bestanden hat. Ein Arbeitnehmer behält gem. § 1b Abs. 1 S. 2 BetrAVG i.d.F. des AVmG seine Anwartschaft auch dann, wenn er aufgrund einer Vorruhestandsregelung ausscheidet und ohne das vorherige Ausscheiden die Wartezeit und die sonstigen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hätte erfüllen können.

 

Rz. 289

Wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor dem 1.1.2001 zugesagt worden sind (Altfälle), ist § 1b Abs. 1 BetrAVG i.d.F. des AVmG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Anwartschaft erhalten bleibt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles, jedoch nach Vollendung des 35. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt

mindestens zehn Jahre oder
bei mindestens 12-jähriger Betriebszugehörigkeit mindestens drei Jahre

bestanden hat (unverfallbare Anwartschaft); in diesen Fällen bleibt die Anwartschaft auch erhalten, wenn die Zusage ab dem 1.1.2001 fünf Jahre bestanden hat und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 30. Lebensjahr vollendet ist. § 1b Abs. 5 BetrAVG findet gem. § 30f BetrAVG für Anwartschaften aus diesen Zusagen keine Anwendung.

 

Rz. 290

Abweichend von diesen gesetzlichen Mindestfestlegungen steht es den Parteien frei, eine verfallbare Anwartschaft unter geringeren Voraussetzungen, z.B. schon von Beginn an oder nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit, für unverfallbar zu erklären. Im Rahmen einer Aufhebungsvereinbarung kann daher auch eine an sich noch nicht unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung einvernehmlich für unverfallbar erklärt werden. Diese ist allerdings nicht insolvenzgeschützt (vgl. BAG v. 21.1.2003 – 3 AZR 121/02, NZA 2004, 152).

 

Rz. 291

Gelegentlich kommt es vor, dass Firmen, obwohl die Versorgungsanwartschaft noch nicht unverfallbar ist, bereit sind, diese nicht verfallen zu lassen, sondern abzufinden. Ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Abfindung besteht allerdings nicht (vgl. LAG Düsseldorf v. 11.11.1976 – 3 Sa 522/76, DB 1977, 683).

 

Rz. 292

 

Praxistipp

Für den Arbeitnehmer kann die Abfindung (= Auszahlung) der noch nicht unverfallbaren Anwartschaft ein Verhandlungspunkt sein (z.B. in einer Situation, in der der Arbeitgeber kurz vor Eintritt der Unverfallbarkeit Trennungsgespräche einleitet), wenn der Eintritt des Versorgungsfalles noch lange dauert und der Betrag der Anwartschaft besser, z.B. fest verzinst, am Kapitalmarkt angelegt werden kann. Die ist der i.d.R. gegeben, da die Anwartschaft nicht inflationsgeschützt ist und sie daher über die Jahre eine Entwertung erfährt, während am Kapitalmarkt ggf. Werterhaltung erreicht werden kann.

b) Unverfallbare Anwartschaften

 

Rz. 293

Bei unverfallbaren Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bleiben diese grds. bestehen (vgl. § 8 Alt. 2 und 3 des Mustervertrags, Rdn 454). Unverfallbarkeit bedeutet daher, dass die Anwartschaft mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters nicht erlischt, sondern zeitanteilig bestehen bleibt. Lediglich durch das vorzeitige Ausscheiden vor dem eigentlichen Rentenzeitpunkt verringern sich die Ansprüche der Höhe nach.

aa) Abfindungs-, Erlass- und Verzichtsverbot

 

Rz. 294

Der Grundsatz, dass noch nicht unverfallbare Anwartschaften unbeschränkt abgefunden werden können, gilt nur sehr eingeschränkt für unverfallbare Anwartschaften. Für unverfallbare Anwartschaften besteht ein weitgehendes Abfindungsverbot.

 

Rz. 295

Die Abfindung von unverfallbaren Versorgungsanwartschaften ist in § 3 BetrAVG geregelt. Für unverfallbare Anwartschaften gilt ein weitgehendes Abfindungsverbot. Eine Abfindung kommt nur in Ausnahmefällen und nur unter den engen Voraussetzungen des § 3 Abs. 26 BetrAVG Betracht. Abfindungen unter anderen als in § 3 Abs. 2 BetrAVG beschriebenen Voraussetzungen sind gem. § 134 BGB nichtig.

 

Rz. 296

Es ist daher für den Arbeitgeber äußerst riskant, einem Wunsch des Arbeitnehmers in den Trennungsverhandlungen nach Abfindung einer Anwartschaft nachzukommen, die nicht den Voraussetzungen des § 3 BetrAVG entspricht. Die Nichtigkeit bedeutet, dass für den Arbeitgeber das Risiko besteht, das betriebliche Ruhegeld beim Eintritt des Versorgungsfalles zahlen zu müssen, obwohl er die Ansprüche des Arbeitnehmers...

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