Rz. 15
Gem. § 623 Hs. 1 BGB bedürfen Auflösungsverträge (= echte Aufhebungsverträge) und Kündigungen für alle Arbeitnehmer, Aushilfskräfte und geringfügig Beschäftigte zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dadurch soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien (vgl. LAG Köln v. 28.4.2021 – 11 Sa 1049/20 "insbesondere Rechtssicherheit"; LAG München v. 12.11.2020 – 3 Sa 301/20 "größte Rechtssicherheit") und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirkt werden (vgl. BAG v. 23.2.2017 – 6 AZR 665/15; BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14; BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 858/11). Die Umstände, aus denen sich die Wahrung der Schriftform nach § 623 i.V.m. § 126 Abs. 1 BGB ergibt, sind von der Partei darzulegen und zu beweisen, die Rechte aus der Kündigung herleiten will (vgl. BAG v. 23.2.2017 – 6 AZR 665/15 m.w.N aus der Lit.). Ein Verstoß gegen § 623 BGB bedeutet Nichtigkeit mit der Rechtsfolge, dass der Aufhebungsvertrag nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, sondern das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten weiterbesteht (s. unten Rdn 33). Der Schriftform kommt konstitutive Wirkung zu (vgl. LAG Hessen v. 16.3.2005 – 2 Sa 1771/04). § 623 BGB gilt auch für einen Vorvertrag über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG v. 17.12.2009 – 6 AZR 242/09, NZA 2010, 273 = DB 2010, 339). Die Schriftform wird nach § 126 Abs. 1 S. 1 BGB dadurch erfüllt, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird. Die Schriftform kann durch gerichtlichen Vergleich (§ 127a BGB) oder notarielle Beurkundung (§§ 126 IV, 128 BGB) ersetzt werden (vgl. zum gerichtlichen u. außergerichtlichen Vergleich unten Rdn 41 f.; vgl. zur Schriftform bei Klageverzichtsvereinbarungen unten Rdn 34 ff.).
Rz. 16
Nach der Rechtsprechung des BAG kommt dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB eine Identitätsfunktion, eine Echtheitsfunktion, eine Verifikationsfunktion sowie eine Warnfunktion zu. Es handele sich um zwingendes Recht, welches weder durch vertragliche noch tarifvertragliche Regelungen abbedungen werden kann (vgl. BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 m.w.N).
Rz. 17
Die Formvorschrift gilt nicht für (echte) Abwicklungsverträge, da diese das Vertragsverhältnis nicht auflösen, sondern lediglich abwickeln (vgl. BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14; BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/0 Rn 19; s. im Einzelnen unten Rdn 37). Die Form des § 623 BGB gilt auch nicht für die Aufhebung/Auflösung eines Dienstverhältnisses; d.h. für Organmitglieder gilt das Schriftformerfordernis beim Aufhebungsvertrag nicht (s. im Einzelnen unten Rdn 39 sowie zu Beförderungsfällen oben § 16 Rdn 308 ff.), ebenso nicht für arbeitnehmerähnliche Personen i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG (vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rn 2). Auch für die Aufhebung von Freien-Mitarbeiter-Verträgen gilt das Schriftformerfordernis nicht (s. im Einzelnen unten Rdn 39).
Rz. 18
Hinweis
1. |
Ein Geschäftsführeranstellungsvertrag kann, wenn im Vertrag selbst keine abweichende Regelung getroffen wurde, auch durch eine mündliche (Aufhebungs-) Vereinbarung beendet werden. |
2. |
Das Schriftformerfordernis für den Aufhebungsvertrag mit dem Geschäftsführer ist auch dann nicht gegeben, wenn im Anstellungsvertrag die Schriftform (nur) für – einseitige – Kündigungen vorgesehen ist. |
3. |
Soweit kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht, wie regelmäßig, bedarf die einvernehmliche Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags keiner Schriftform |
(vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 10.4.2018 – 1 Sa 367/17, juris).
Rz. 19
Gem. § 623 Hs. 2 BGB ist die elektronische Form ausgeschlossen. Der zweite Hs. wurde zur Klarstellung im Zusammenhang mit der elektronischen Form in § 126a BGB eingeführt.
Rz. 20