Rz. 430

Die Anfechtung aus Gründen des § 123 Abs. 1 BGB kann nur innerhalb eines Jahres erfolgen. Gem. § 124 Abs. 2 BGB beginnt die Frist im Fall der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Fall der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Hat der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung seitens des Arbeitgebers nach § 123 BGB wirksam angefochten, kann das Recht des Arbeitnehmers, die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags klageweise geltend zu machen, im Hinblick auf den eigenen Verstoß des Arbeitgebers gegen Treu und Glauben nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen verwirken (vgl. BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348 = BB 2008, 564). Bei der Prüfung des erforderlichen Zeitmomentes ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem Bedrohten schon für die Anfechtung in § 124 BGB eine Überlegungsfrist von einem Jahr einräumt. Der Drohende muss sich deshalb nach Treu und Glauben regelmäßig damit abfinden, dass der Bedrohte die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes auch noch einige Monate nach der Anfechtung und Klageandrohung klageweise geltend macht (vgl. BAG v. 6.11.1997 – 2 AZR 162/97, DB 1998, 521). Denn ein Recht ist (erst) verwirkt, wenn der Inhaber mit der Geltendmachung längere Zeit abwartet, sich angesichts dieses Zeitablaufes für den Gegner ein Vertrauenstatbestand gebildet hat, mit der Geltendmachung des Rechts nicht mehr rechnen zu müssen, und dem Gegner deshalb eine Einlassung für die Geltendmachung des Rechtes nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348 = BB 2008, 564unter Bezug auf BAG v. 31.8.2005, NZA 2006, 324 = DB 2006, 1273). So scheidet nach Auffassung des LAG Köln eine wirksame Anfechtung regelmäßig dann aus, wenn der Arbeitnehmer einige Zeit nach Abschluss der Aufhebungsvereinbarung den Scheck über die Abfindungssumme einzieht und später die Aufhebungsvereinbarung anficht. Durch die Einziehung des Schecks bestätige der Arbeitnehmer nachträglich und selbstbestimmend die Abfindungsvereinbarung und verliere damit das Recht, die Aufhebungsvereinbarung anzufechten (LAG Köln v. 6.6.1997 – 11 Sa 1328/96). Die Anfechtung wegen eines Irrtums nach § 119 BGB muss unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach positiver Kenntnis des Anfechtungsgrundes gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgen. Anfechtungsgründe nach § 119 BGB sind jedoch sehr selten.

 

Rz. 431

Geht es um die Anfechtung eines Abwicklungsvertrages innerhalb der Jahresfrist durch den Arbeitnehmer nach vorausgegangener Kündigung, so kann das Risiko für den Arbeitnehmer bestehen, dass der Abwicklungsvertrag mit der Abfindung beseitigt ist, während die (nicht in der Drei-Wochen-Frist angegriffene) Kündigung – zumindest zunächst – Bestand hat. Die verspätete Kündigungsschutzklage ist unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 KSchG zuzulassen. Dabei ist mit Blick auf die Zwei-Wochen-Frist fraglich, was unter der Behebung des Hindernisses i.S.v. § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG zu verstehen ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass gem. § 5 Abs. 3 S. 2 KSchG nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, der Antrag nicht mehr gestellt werden kann. Daher kann es unter Umständen entscheidend darauf ankommen, ob der Zeitpunkt der Kenntnis des Anfechtungsgrundes (so Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Teil A Rn 221) oder der Zeitpunkt der tatsächlichen Anfechtungserklärung (so mit überzeugenden Gründen, Nebeling/Schmid, NZA 2002, 1310) maßgeblich ist. Bis zur endgültigen Entscheidung durch die Rspr. sollte innerhalb der Zwei-Wochen-Frist angefochten und Zulassungsantrag gestellt werden, sowie die Sechs-Monats-Frist beachtet werden.

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