Rz. 199

Abfindungen, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, sind nach § 24 Nr. 1b EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 4 LStDV steuerpflichtig (vgl. BAG v. 17.10.2018 – 5 AZR 538/17, juris Rn 17; BFH v. 12.12.2011 – IX B 3/11, juris Rn 9).

a) Keine Steuerfreiheit

aa) Abschaffung steuerlicher Freibeträge

 

Rz. 200

Der Gesetzgeber hat in mehreren Etappen die ursprüngliche Steuerfreiheit für Teile der Abfindung – Steuerfreibeträge gem. § 3 Nr. 9 EStG a.F. – zunächst reduziert und sodann mit Wirkung zum 1.1.2006 vollständig abgeschafft. Seitdem gibt es keine Steuerfreiheit mehr für aus Anlass der Beendigung des Arbeits-/Dienstverhältnisses gezahlte Abfindungen.

 

Hinweis

Durch die Abschaffung der früheren Steuerfreiheit für Teile der Abfindung bleibt stets weniger "netto" von der Abfindung über.

bb) Teil-(Steuerfreiheit) bei Ausgleichszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung

 

Rz. 201

Aufgrund des Wegfalls der Steuerfreibeträge gem. § 3 Nr. 9 EStG a.F. ist es von großer Praxisrelevanz, andere – rechtsübergreifende -Optimierungen und Gestaltungsmöglichkeiten, wie das "Mannheimer Modell" oder ähnliche Modelle, in den Blick zu nehmen (vgl. BeckOK-SozR/Rittweger, SGB IV, § 7f Rn 6; Schönhöft/Röpke, NZA 2021, 1610; Schönhöft, BB 2021, 1332; Growe/Tretow, NZA 2020, 1080). Für die nachfolgend aufgeführten, noch "jungen" Modelle empfiehlt sich die Einholung einer steuerlichen Anrufungsauskunft (s. unten Rdn 226 ff.; vgl. zur Steuer auch BFH IX R 25/21 [anhängig] sowie die Vorinstanz, FG Berlin-Brandenburg v. 17.6.2021 4 K 4.2.2006/18, juris).

cc) Optimierung durch (Teil-)Einzahlung der angedachten Abfindung in die Deutsche Rentenversicherung – § 3 Nr. 28 EStG i.V.m. § 187a SGB VI

 

Rz. 202

Insbesondere für ältere Arbeitnehmer kann es von nicht unerheblichem Interesse sein, eine vereinbarte Abfindung ganz oder teilweise steuerfrei in die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zu überführen, um dadurch – im Fall des vorzeitigen Rentenbezugs – lebenslange Rentenminderungen i.H.v. 0,3 % pro Monat auszugleichen (vgl. Schönhöft/Röpke, NZA 2021, 1610 ff.). Denn relativ wenig bekannt ist, dass diese Ausgleichszahlungen nach § 187a SGB VI steuerlich privilegiert sind. Gleichwohl kann es ratsam sein, eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten oder eine Anrufungsauskunft einzuholen. Soweit der Arbeitgeber die Zahlung direkt an die DRV vornimmt, sind bis zu 50 % der durch die DRV errechneten Ausgleichsbeträge gem. § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei. Die entscheidenden Voraussetzungen für diese steuerliche Privilegierung sind die Beachtung der Begrenzung auf 50 % des nach Auskunft der DRV zu leistenden Ausgleichsbetrags und die direkte Zahlung durch den Arbeitgeber. Dies kann in die Aufhebungsvereinbarung aufgenommen werden. Darüber hinaus besteht für den Arbeitnehmer eine Steuerprivilegierung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG. Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer die andere Hälfte der Ausgleichszahlung vollständig oder in Teilzahlung leisten und steuerlich als Sonderausgaben bis zum Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen geltend machen können (vgl. Schönhöft/Röpke, NZA 2021, 1610, 1612). Ein positiver Nebeneffekt ist, dass durch die Zahlung des Ausgleichsbetrags an die DRV der Abfindungsbetrag sinkt. Dies kann in vielen Fällen dazu führen, dass ein zusätzlicher steuerlicher Effekt (Steuerersparnis) durch die Fünftelregelung eintritt, weil sich die steuerliche Behandlung der Abfindung auf den durch die Ausgleichszahlung verminderten Abfindungsbetrag reduziert (siehe nachfolgend Rdn 206).

dd) Optimierung durch (Teil-)Einzahlung der angedachten Abfindung in ein Wertguthaben (Zeitwertkonto) nach § 7b SGB IV zur späteren Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung

 

Rz. 203

Dieses "klassische" Mannheimer Modell des Vorruhestands (vgl. Growe/Tretow, NZA 2020, 1080 ff.) zur Überbrückung der Zeit bis zum Renteneintritt, sieht die Möglichkeit der Einzahlung in ein Wertguthaben aus Beträgen der angedachten Abfindung zur späteren Weiterleitung/Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung vor. Statt einer Abfindung erfolgt die Einzahlung in ein Wertguthabenkonto nach § 7b SGB IV. Durch die nachgelagerte Besteuerung bei der späteren Auszahlung des Wertguthabens in Teilzahlungen kann sich dies für den Arbeitnehmer attraktiv rechnen. Allerdings bestehen bis zu einer endgültigen höchstrichterlichen Rechtsprechung durch den BFH erhebliche steuerliche Risiken (vgl. zur Steuer: BFH IX R 25/21 [anhängig] sowie die Vorinstanz, FG Berlin-Brandenburg v. 17.6.2021 4 K 4.2.2006/18, juris; vgl. ferner Kreft, GStB 2022, 82 Kap. 5; Willisch/Meurs, DB 2022, 1984 ff.). Das Modell ist umstritten und wird zum Teil mit guten Gründen als nicht umsetzbar angesehen (vgl. Pietrek, in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB IV, § 7b SGB IV Rn 54). Auch wenn das Mannheimer Modell grds. ein interessanter Gedanke ist, so ist gleichwohl festzuhalten, dass eine echte Abfindung kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV darstellt und daher für den Aufbau eines Wertguthabens ausscheidet. Der Gesetzgeber hat es in der Hand, dies zu ändern (vgl. ebenso Schönhöft, BB 2021, 1332, 1336).

b) Steuerbegünstigung

 

Rz. 204

Für Abfindungen – bzw. in der Terminologie des Steuerrechtes Entschädigungen – kommt lediglich eine Steuerbegünstigung i.S.v. §§ 24, 34 EStG in Betracht.

aa) Drastische Einschnitte bei der Steuerbegünstigung

 

Rz. 205

Allerdings hat der Gesetzgeber nicht nur bei den Steuerfreibeträgen, sondern auch bei den Steuerbegünstigungen drastische Einschnitte vorgenommen. Mit dem sog. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999 (BGB...

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