Rz. 166
Bei dem "Abfindungspoker" ist zu berücksichtigen, dass für sog. Neu-AN (Def.: Beginn des Arbeitsverhältnisses nach dem 31.12.2003) in Kleinbetrieben, in denen i.d.R. zehn oder weniger Arbeitnehmer (ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Mitarbeiter) beschäftigt werden, der allgemeine Kündigungsschutz des § 1 KSchG gem. § 23 KSchG keine Anwendung findet (§ 23 S. 3 Hs. 1 KSchG). Bis zur Erhöhung des Schwellenwerts zum 1.1.2004 lautete der Schwellenwert "in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer". Zur Besitzstandswahrung für diese sog. Alt-AN (Def.: Beginn des Arbeitsverhältnisses vor dem 31.12.2003) bleibt es beim Kündigungsschutz aus § 1 KSchG, wenn in dem Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt werden, wobei bis zur Beschäftigung von insgesamt zehn Arbeitnehmern nur Alt-AN zählen (§ 23 S. 2 und S. 3 Hs. 2 KSchG); vgl. zum Verlust des Kündigungsschutzes bei Übergang auf einen Kleinbetrieb BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15; BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 397/06, NZA 2007, 739 = BB 2007, 1453; vgl. zu Altfällen bei anderen Schwellenwerten BAG v. 21.9.2006 – 2 AZR 840/05, NZA 2007, 438 = DB 2007, 691). Geschäftsführer zählen bei der Ermittlung der Mitarbeiterzahl nicht mit, unabhängig davon, ob ihr Beschäftigungsverhältnis (ausnahmsweise) die Kriterien eines Arbeitsverhältnisses erfüllt (vgl. BAG v. 27.4.2021 2 AZR 540/20, juris Rn 25). In Kleinbetrieben dieser Größenordnung besteht grds. für sämtliche Mitarbeiter kein Kündigungsschutz nach dem KSchG, sodass es daher auf die etwaige Sozialwidrigkeit von Kündigungen und die Erfolgsaussichten eines Kündigungsschutzprozesses nicht ankommt. In solchen Fällen sind in Aufhebungsvereinbarungen vereinbarte Abfindungen eher selten anzutreffen, da kein Prozessrisiko für den Arbeitgeber besteht, dass die Kündigung sozialwidrig sein könnte.
Insofern kommt § 23 KSchG für Betriebe dieser Größenordnung eine große Bedeutung zu. Die Vorschrift privilegiert zulässig Kleinbetriebe (vgl. BAG v. 13.6.2002 – 2 AZR 327/01 Konzernholding; BAG v. 19.4.1990, DB 1991, 176 = NZA 1990, 724; EuGH v. 30.11.1993, AP Nr. 3 zu Art. 92 EWG-Vertrag = EzA § 23 KSchG Nr. 13, ferner BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, DB 1998, 826 und DB 1998, 829), weil bei diesen die persönliche Zusammenarbeit im Vordergrund steht und die finanziellen Belastungen des Kündigungsschutzes unzumutbar erscheinen. Gleichwohl ist auch in Kleinbetrieben ein "Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme" zu wahren, selbst wenn die Vorschriften über die Sozialauswahl nach § 1 KSchG nicht gelten (vgl. BAG v. 28.8.2003 –2 AZR 333/02, NZA 2004, 1296; BAG v. 6.2.2003, NZA 2003, 717 = DB 2003, 1393; BAG v. 21.2.2001, DB 2001, 1677 = NZA 2001, 833). Im Rahmen der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz ist allerdings umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind (vgl. BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 107/19, juris Ls. 3 und Rn 13). Zu berücksichtigen ist, dass auch im Kleinbetrieb eine altersdiskriminierende Kündigung nach § 134 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam ist (vgl. BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, juris Ls).