Rz. 293
Bei unverfallbaren Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bleiben diese grds. bestehen (vgl. § 8 Alt. 2 und 3 des Mustervertrags, Rdn 454). Unverfallbarkeit bedeutet daher, dass die Anwartschaft mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters nicht erlischt, sondern zeitanteilig bestehen bleibt. Lediglich durch das vorzeitige Ausscheiden vor dem eigentlichen Rentenzeitpunkt verringern sich die Ansprüche der Höhe nach.
aa) Abfindungs-, Erlass- und Verzichtsverbot
Rz. 294
Der Grundsatz, dass noch nicht unverfallbare Anwartschaften unbeschränkt abgefunden werden können, gilt nur sehr eingeschränkt für unverfallbare Anwartschaften. Für unverfallbare Anwartschaften besteht ein weitgehendes Abfindungsverbot.
Rz. 295
Die Abfindung von unverfallbaren Versorgungsanwartschaften ist in § 3 BetrAVG geregelt. Für unverfallbare Anwartschaften gilt ein weitgehendes Abfindungsverbot. Eine Abfindung kommt nur in Ausnahmefällen und nur unter den engen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2–6 BetrAVG Betracht. Abfindungen unter anderen als in § 3 Abs. 2 BetrAVG beschriebenen Voraussetzungen sind gem. § 134 BGB nichtig.
Rz. 296
Es ist daher für den Arbeitgeber äußerst riskant, einem Wunsch des Arbeitnehmers in den Trennungsverhandlungen nach Abfindung einer Anwartschaft nachzukommen, die nicht den Voraussetzungen des § 3 BetrAVG entspricht. Die Nichtigkeit bedeutet, dass für den Arbeitgeber das Risiko besteht, das betriebliche Ruhegeld beim Eintritt des Versorgungsfalles zahlen zu müssen, obwohl er die Ansprüche des Arbeitnehmers bereits abgefunden hat (vgl. BAG v. 24.3.1998 – 3 AZR 800/96, DB 1998, 1340 = NZA 1998, 1280).
Praxistipp
Für den Arbeitgeber besteht das Risiko, zwei Mal zahlen zu müssen.
Das BAG schließt für einen solchen Fall die Anwendung des § 817 S. 2 BGB nicht aus. Soll die in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes mit der bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres entstehenden betrieblichen Invalidenrente verrechnet werden, so ist die in der Verrechnungsabrede enthaltene aufschiebend bedingte Tilgungsbestimmung wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 BetrAVG unwirksam. Dem Arbeitgeber kann jedoch nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der Abfindung zustehen (vgl. BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 7/00, DB 2001, 2201).
Rz. 297
Der Arbeitgeber kann (nur) gem. § 3 Abs. 2 S. 1 BetrAVG die Anwartschaft ohne Zustimmung des Arbeitnehmers abfinden, wenn
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der Monatsbetrag der aus der Anwartschaft resultierenden laufenden Leistung bei Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze 1 %, |
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bei Kapitalleistungen 12/10 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigen würde. |
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Dies gilt nach S. 2 entsprechend für die Abfindung einer laufenden Leistung. |
Rz. 298
Ab 1.1.2018 ist die Abfindung unzulässig, wenn der Arbeitnehmer von seinem Recht auf Übertragung der Anwartschaft Gebrauch macht (§ 3 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 4 BetrAVG). Die Berechnung des Übertragungswertes errechnet sich nach § 4 Abs. 5 BetrAVG.
Rz. 299
Soweit die Parteien in der Aufhebungsvereinbarung keine Regelung zur betrieblichen Altersversorgung im Fall einer unverfallbaren Anwartschaft treffen, bedeutet die Aufnahme einer Erledigungsklausel nicht, dass damit die unverfallbare Anwartschaft erlischt. Dazu wäre eine ausdrückliche und unmissverständliche Regelung erforderlich (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 23.2.2012 – 2 Sa 635/11; LAG Hamm v. 30.10.1979, DB 1980, 113; LAG Hamm v. 15.1.1980, DB 1980, 643). I.d.R. erfassen Erledigungsklauseln Betriebsrenten nicht (vgl. BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 225/08, DB 2010, 1589 mit Anm. Schumann).
bb) Widerruf von Versorgungszusagen
Rz. 300
I.R.d. Verhandlungen zur Trennung stellt sich vielfach die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, durch einseitigen Widerruf die betriebliche Versorgungszusage zu beenden, wenn dem Mitarbeiter Verfehlungen vorgeworfen werden. Die Messlatte für einen solchen einseitigen Widerruf ist hoch.
Rz. 301
Grobe Pflichtverletzungen, die ein Arbeitnehmer begangen hat, berechtigen den Arbeitgeber nur dann zum Widerruf der Versorgungszusage, wenn die Berufung des Arbeitnehmers auf das Versorgungsversprechen rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) ist (vgl. BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10). Nach der Rspr. des BAG reicht ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung allein nicht aus, um den Widerruf einer Versorgungszusage zu rechtfertigen (vgl. BAG v. 8.5.1990 – 3 AZR 152/88, NZA 1990, 807 = DB 1990, 2173). Anders ist es, wenn eine rechtzeitige Entdeckung schwerer Verfehlungen zur fristlosen Kündigung geführt hätte, bevor die Versorgungsanwartschaft unverfallbar wurde und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch die Vertuschung des Fehlverhaltens daran gehindert, noch vor Eintritt der Unverfallbarkeit zu kündigen (vgl. BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 444/10). Die Berufung des Arbeitnehmers auf eine unverfallbare Versorgungszusage kann – auch in Form einer mittelbaren Versorgungszusage durch Abschluss einer Direktversicherung (vgl. OLG Düsseldorf v. 25.11.1999 – 6 U 146/98, DB 2000, 1656 = GmbHR 2000, 666) – rechtsmissbräuchlich sein (§ ...