aa) Vorziehen des rechtlichen Endes
Rz. 168
Kein echter Abfindungspoker findet bei Geschäftsführern (siehe aber zur neuen Entwicklung nachfolgend sogleich Rdn 170) und Vorstandsmitgliedern (vgl. zur Besteuerung von Abfindungszahlungen an Vorstandsmitglieder, die in das Ausland verzogen sind, Binnewies/Wimmer, AG 2017, 271) statt, da es bei diesen i.d.R. lediglich durch Vorziehen des rechtlichen Endes um das Umwandeln der ansonsten fälligen Bezüge und Sachleistungen in eine Einmalzahlung (= Abfindung) geht (vgl. OLG Düsseldorf v. 25.4.2019 6 U 28/18, juris zur Bestimmung der Höhe einer Abfindung bei fehlender vertragliche Regelung im Aufhebungsvertrag durch Auslegung). Darauf besteht allerdings kein Rechtsanspruch. Insofern ist dies ein ganz wichtiger Verhandlungspunkt, da der Geschäftsführer bzw. das Vorstandsmitglied das Vorziehen des rechtlichen Endes unter gleichzeitigem Vorziehen der gesamten Geld- und Sachbezüge – selbst unter Berücksichtigung einer angemessenen Abzinsung – nicht erzwingen kann (vgl. zur variablen Vergütung im Trennungsprozess mit Geschäftsführern und Vorständen, Melot de Beauregard/Schwimmbeck/Gleich, DB 2012, 2792 ff. und DB 2012, 2853 ff.). Steuerlich ist das Vorziehen des rechtlichen Endes zulässig (vgl. unten Rdn 215).
Rz. 169
Kommt es zu einer vorgezogenen Beendigung, stellt sich die Frage nach der Höhe der vorzunehmenden Abzinsung, also mit welchem Zinssatz diese zu erfolgen hat. Hilfreich sind dafür die Berechnungen der Deutschen Bundesbank, die im Anschluss an die verpflichtende Abzinsung von Rückstellungen nach § 253 Abs. 2 HGB aufgrund des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes vom 25.5.2009 ab dem Geschäftsjahr 2010 eingeführt wurden (vgl. www.bundesbank.de, Suchbegriff Abzinsungszinssätze gem. § 253 Abs. 2 HGB; vgl. ferner Mutter, AG 2010, R 28). Eine Weiterbeschäftigung bis zum Vertragsende auf einer Leitungsebene unterhalb der Geschäftsführungs- bzw. Vorstandsebene ist nach der Rspr. zwar denkbar (s. für den GmbH-Geschäftsführer § 16 Rdn 319) und ggf. Teil der Verhandlungsmasse, ist aber häufig nicht praktikabel. Vielfach deckt sich daher das Interesse des Unternehmens mit dem des Geschäftsführers/Vorstandsmitgliedes an einer möglichst schnellen, fairen und geräuschlosen Trennung. Es wird also regelmäßig nicht um eine darüber hinausgehende zusätzliche Abfindung verhandelt.
bb) Neue Entwicklung zur Abfindung beim Fremd-Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer
Rz. 170
Der Grundsatz – keine (echte) Abfindung für Geschäftsführer – steht tendenziell vor einer Neubewertung. Angestoßen durch die Danosa-Entscheidung des EuGH (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – C-232/09) hat sich eine breite Diskussion um Arbeitnehmer-/Kündigungsschutz für die Gruppe der – weisungsabhängigen und schutzbedürftigen – Fremdgeschäftsführer und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer bei der GmbH entwickelt (vgl. zum Kündigungsschutz oben § 16 Rdn 237 ff.; vgl. insgesamt zur neueren Entwicklung oben § 16 Rdn 148 ff., 162, 166). Denn der deutsche Gesetzgeber deckt M.E. den unionsrechtlich geforderten Schutz des Fremdgeschäftsführers und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers nicht ab. Materiell-rechtlich kann das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers zwar durchaus – und nicht nur in Ausnahmefällen – ein (schutzbedürftiges) Arbeitsverhältnis sein (vgl. ausführlich zu den neuen Tendenzen in der Rspr. des EuGH, BGH und BAG sowie zum Rechtscharakter des GF-Vertrages oben § 16 Rdn 483 ff.). Gleichwohl wendet weder das BAG noch der BGH wegen der Negativfiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die §§ 1 ff. KSchG – bislang – an (vgl. BAG v. 21.9.2017 – 2 AZR 865/16, juris negative Fiktion; vgl. ferner BAG v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19, juris Rn 25; BAG v. 21.1.2019 – 9 AZB 23/18, juris Rn 24; BGH v. 20.8.2019 – II ZR 121/16, juris Kündigungsfrist).
Rz. 171
Diese im Fluss befindliche Rechtsentwicklung könnte im Ergebnis dazu führen, dass die von der GmbH veranlasste Trennung von dem Geschäftsführer unter besonderer Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Organstellung zwar unter erleichterten Voraussetzungen, aber – ähnlich wie beim Leitenden – zukünftig vielfach nur mit einer Abfindung möglich ist. Diese Entwicklung wäre nicht per se unbillig. Denn es ist zwar dem BGH und BAG zuzustimmen, dass der Geschäftsführer die Arbeitgeberrolle im Unternehmen ausübt, dies sagt aber nichts über seine eigene Weisungsabhängigkeit gegenüber seinem Arbeitgeber, d.h. gegenüber der Gesellschafterversammlung bzw. – im Konzern – ggü. der Geschäftsführung oder dem Vorstand der Muttergesellschaft, aus. In der Praxis gibt es eine Vielzahl von Fällen, in denen die Möglichkeit des weisungsfreien Handelns des Geschäftsführers gegen Null läuft, oder auch Nicht-GF-Tätigkeiten dem Geschäftsführer zugewiesen werden bzw. nach dem Anstellungsvertrag zugewiesen werden können (vgl. auch OLG München v. 27.10.2014 – 7 W 2097/14; LAG Köln v. 11.9.2013 – 11 Ta 377/11). In der Praxis gibt es zahlreiche Beispiele, in denen der Geschäftsführer bei seiner Tätigkeit einem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht i.S.v. § 611a Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB unterliegt (vgl. dazu BAG v. 11.6.2020 – 2...