Rz. 432
Weder die Anfechtung noch die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) greift in den Fällen ein, in denen der Arbeitgeber sich verpflichtet hat, eine Abfindung i.H.d. Differenz zwischen dem augenblicklichen Nettogehalt und dem zu beanspruchenden Alg für die Zeit bis zum voraussichtlichen Rentenbeginn zu zahlen und der Gesetzgeber nach Abschluss dieser Aufhebungsvereinbarung das Alg mindert. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber auf nachträgliche Zahlung des durch eine Gesetzesänderung im Rentenrecht sich ergebenden Differenzbetrages nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (vgl. BAG v. 14.3.2000, DB 2000, 680; LAG Düsseldorf v. 15.3.1995, DB 1995, 1240 = LAGE § 611 BGB Aufhebungsvereinbarung Nr. 16).
Rz. 433
Die Geschäftsgrundlage für einen betriebsbedingten Aufhebungsvertrag fällt nicht ohne weiteres weg, wenn nach dessen Abschluss zum gleichen Auflösungszeitpunkt auch noch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung ausgesprochen wird. Der Aufhebungsvertrag steht jedoch i.d.R. unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird (vgl. BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 217/00, NZA 2001, 837 = DB 2001, 1941; BAG v. 29.1.1997, DB 1997, 1411 = NZA 1997, 485).
Rz. 434
Einem betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer kann ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen, wenn zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit entstanden ist. Der Klageantrag kann dabei auf den rückwirkenden Abschluss eines Arbeitsvertrages gerichtet werden (vgl. BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357 = BB 2008, 731). Haben die Arbeitsvertragsparteien noch während der Kündigungsfrist durch einen gerichtlichen Vergleich das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgehoben, kann dieser Vergleich wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage an die geänderte betriebliche Situation – Beschluss, die Betriebsabteilung mit einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern doch fortzuführen – anzupassen sein, unter Umständen mit dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer wieder einzustellen ist und die Abfindung zurückzuzahlen hat. Entsteht die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, besteht grds. kein Wiedereinstellungsanspruch ([7. Senat] BAG v. 28.6.2000, DB 2000, 1413; BAG v. 6.8.1997, DB 1998, 423; offengelassen [2. Senat] BAG v. 4.12.1997, DB 1998, 85).
Rz. 435
Wird zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung auf Veranlassung des Arbeitgebers ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen, ist dieser nach § 313 BGB anzupassen, wenn sich in der Zeit zwischen dem Abschluss des Aufhebungsvertrages und dem vereinbarten Vertragsende unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergibt. Die Vertragsanpassung kann auch in einer Wiedereinstellung liegen, die im Entscheidungsfall allerdings mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht erfolgte (vgl. BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148 = BB 2008, 2020).
Rz. 436
Voraussetzung für einen Wiedereinstellungsanspruch ist, dass der Anspruch unverzüglich nach Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die den Anspruch rechtfertigen, geltend gemacht wird. Das LAG Hessen geht in Anlehnung an § 613a Abs. 6 BGB dabei von einer Frist von einem Monat nach Kenntniserlangung aus (vgl. LAG Hessen v. 18.1.2016 – 16 Sa 725/15).