Rz. 60
Der streng personenbezogene Charakter des Arbeitsverhältnisses verbietet es, dass der Arbeitnehmer gegen den Widerstand des Arbeitgebers betriebsfremde Personen zur Wahrnehmung seiner Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis hinzuzieht. Daher hat ein Arbeitnehmer grds. keinen Anspruch, dass zu Personalgesprächen sein Rechtsanwalt zugelassen wird. Dies gilt auch für den etwaigen Wunsch nach Hinzuziehung eines Gewerkschaftssekretärs (vgl. Hartmann, DB 2003, 1416, 1417 unter Bezug auf die gem. § 613 BGB höchstpersönlich geschuldete Arbeitsleistung). Allerdings kann bei Grundsatzgesprächen der Arbeitgeber dann nicht erwarten, dass der Arbeitnehmer für ihn wichtige Fragen ohne anwaltlichen Beistand beantwortet bzw. anstehende Entscheidungen sofort trifft. Dem Arbeitnehmer können daher auch keine schwerwiegenden Nachteile erwachsen, wenn er ohne anwaltlichen Beistand an Personalgesprächen teilnimmt und sich die Beantwortung zukunftsentscheidender Fragen oder das Treffen von Entscheidungen erst nach Konsultierung seines Anwaltes vorbehält (vgl. LAG Hamm v. 23.5.2001, AuA 2002, 91; vgl. ferner Kanddaouroff/Rose, DB 2008, 1210; vgl. zu dem Erfordernis, dem Arbeitnehmer im Fall der Anhörung vor einer außerordentlichen Verdachtskündigung die Gelegenheit zu geben, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen LAG Berlin-Brandenburg v. 6.11.2009 – 6 Sa 1121/09, DB 2009, 2724 = BB 2009, 2702 unter Bezug auf BAG v. 13.3.2008, NZA 2008, 809 = BB 2008, 2300; beim betrieblichen Eingliederungsmanagement gem. § 84 SGB IX ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht vorgesehen, vgl. LAG Hamm v. 13.11.2014 – 15 Sa 979/14, LAG Rheinland-Pfalz v. 18.12.2014 – 5 Sa 518/14).
Rz. 61
Zieht hingegen der Arbeitgeber seinerseits bei Personalgesprächen betriebsfremde Personen, z.B. einen Rechtsanwalt, hinzu, und verlässt er damit die rein personale Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, kann der Arbeitnehmer seinerseits aus dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit Anspruch darauf haben, dass auf seiner Seite ebenfalls eine betriebsfremde Person seines Vertrauens mitwirkt (vgl. LAG Köln v. 6.7.2018 – 9 TaBV 47/17, juris Rn 74–76; LAG Hamm v. 23.5.2001 – 14 Sa 497/01, AuA 2002, 91; kritisch Hartmann, DB 2003, 1416, 1417). Zum Teil wird in der Literatur – weitergehend – vertreten, dass der Arbeitnehmer auch dann einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen dürfe, wenn der Arbeitgeber nicht anwaltlich vertreten sei (vgl. Eylert/Friedrichs, DB 2007, 2003, 2204 Anhörungsgespräch vor Ausspruch einer Verdachtskündigung). Das LAG Köln steht auf dem Standpunkt, dass nicht allgemein beantwortet werden könne, ob ein Arbeitnehmer zu seiner Anhörung einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen darf. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sei nach Auffassung der 9. Kammer im Rahmen der Anhörung nur dann notwendig, um einer absehbar drohenden Überforderung des Arbeitnehmers gerecht zu werden und/oder um den Arbeitnehmer vor einer (unbedachten) Selbstbezichtigung zu schützen (vgl. LAG Köln v. 6.7.2018 – 9 TaBV 47/17 juris, Rn 77).
Rz. 62
Nach der Rechtsprechung des BAG (v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, juris Rn 62) ist für die Frage des Rechts der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Arbeitnehmer zu einem Gespräch im Zusammenhang mit einer Anhörung vor einer Verdachtskündigung eine Rücksichtnahmepflicht durch den Arbeitgeber zu beachten. Dies bedeutet nicht, dass eine Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsthemas gegenüber einem Arbeitnehmer (vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rn 178b), auch nicht gegenüber einem Auszubildenden, erforderlich wäre. Allerdings kann die Gesprächssituation den Auszubildenden erkennbar überfordern. Es entspricht dann der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers, das Gespräch von sich aus oder auf Wunsch des Auszubildenden abzubrechen und eine erneute Anhörung anzuberaumen, wenn der Auszubildende grds. zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Verdachtsmomenten bereit ist. Die Unterbrechung der Anhörung ist auch geboten, wenn der Auszubildende die Beratung mit einer Vertrauensperson verlangt. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht verpflichtet, den Auszubildenden auf die Möglichkeit der Kontaktierung eines Rechtsanwalts hinzuweisen (vgl. BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, juris Rn 62 unter Hinweis auf Lange/Vogel, DB 2010, 1066, 1069; Eylert/Friedrichs, DB 2007, 2203, 2205; Lembke, RdA 2013, 82,89; Hunold, Anm. NZA-RR 2010,184). Dies gilt auch bezüglich sonstiger Vertrauenspersonen (vgl. BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, juris Rn 62 letzter Satz).