Rz. 65
Ein Aufhebungsvertrag, der im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang geschlossen wird, ist gem. § 134 BGB unwirksam, wenn darin eine Umgehung des § 613a BGB liegt. Nichtigkeit ist bspw. dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen einer Betriebsveräußerung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages veranlasst, um dann mit dem Erwerber neue, für den Erwerber günstigere Arbeitsverträge zu schließen (sog. Lemgoer Modell, wodurch die Übernahme der bestehenden betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen wurde, s.a. § 40 Rdn 88 und § 35 Rdn 646). Darin liegt eine Umgehung des § 613a Abs. 4 BGB (vgl. BAG v. 28.4.1987, NZA 1988, 198 = DB 1988, 400). Das ist auch der Fall, wenn ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber gleichzeitig verbindlich in Aussicht gestellt wird. Dies greift auch dann, wenn im Losverfahren bestimmt werden soll, wer angestellt werden soll und ob dies befristet oder unbefristet geschehen soll. Das Verlosen von Arbeitsplätzen ist nach der Rspr. des BAG ein verbindliches Inaussichtstellen (vgl. BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10 Lotterie-Urteil, NZA 2012, 152 = DB 2011, 2850; kritisch Willemsen, NZA 2013, 242 ff.). Das gleiche gilt, wenn zeitgleich mit der Veranlassung zur Eigenkündigung ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart wird und dem Arbeitnehmer nach den gesamten Umständen klar ist, dass er vom Betriebserwerber eingestellt wird (vgl. BAG v. 27.9.2012 – 8 AZR 826/11).
Rz. 66
Hinweis
Ein Aufhebungsvertrag ist nach der Rspr. des BAG nur dann in Anbetracht eines nachfolgenden Betriebsübergangs wirksam, wenn er auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet ist.
Rz. 67
Diese Grundsätze hat das BAG in seiner Entscheidung vom 25.10.2012 bestätigt und für einen weiteren Fall präzisiert. Dabei ging es um die Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin und den Abschluss eines neuen – sachgrundlos befristeten – Arbeitsvertrages mit einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Das BAG kam zu dem Ergebnis der Unzulässigkeit der zwischen den Parteien vereinbarten Befristung mit der Rechtsfolge des § 16 Abs. 1 S. 1 TzBfG, wonach der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen galt. Denn nach den gesamten Umständen war es für den Arbeitnehmer klar, dass er vom Betriebserwerber (= Identität auf Arbeitgeberseite) eingestellt werde (vgl. BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11).
Rz. 68
Rz. 69
Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteien des bestehenden Arbeitsverhältnisses den Vertrag auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam durch Aufhebungsvertrag auflösen können (vgl. BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10 Lotterie-Urteil, NZA 2012, 152 = DB 2011, 2850). Eine Umgehung von § 613a BGB, die zur Nichtigkeit des Vertrages geführt hätte, sieht das BAG darin nicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Aufhebungsvertrag lediglich die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezwecken würde (vgl. BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, DB 1999, 537). Nach der Rspr. des BAG ist ein Aufhebungsvertrag auch bei einer objektiv bezweckten Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes nur dann unwirksam, wenn die mit dieser Vertragsgestaltung verbundene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sachlich unberechtigt ist (vgl. BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091 = BB 2009, 2319). Dieser Schutz darf nicht umgangen werden (vgl. BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 481/07, DB 2009, 291). Ist nach dem Sachverhalt beim Abschluss des Aufhebungsvertrages weder ein Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber begründet noch ein solcher verbindlich in Aussicht gestellt oder versprochen, liege keine Umgehung des Kündigungsverbotes des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB vor. Für den jeweils betroffenen Arbeitnehmer sei klar, dass er aus dem mit dem Betriebsveräußerer bestehenden Arbeitsverhältnis ausscheidet und nicht mehr als die Hoffnung besitzt, mit dem Erwerber einen neuen Arbeitsvertrag schließen zu können. Die Vereinbarung sei dann auf das endgültige Ausscheiden aus dem Betrieb gerichtet. Dies gelte auch dann, wenn eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) zwischengeschaltet ist (vgl. aber oben Rdn 66, 67 den Fall des BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11). Der Gefahr des Missbrauchs stünden Einschränkungen einer möglichen Sanierung zur Vermeidung einer Insolvenz ggü. (vgl. BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145 = DB 2006, 107)...