Rz. 315
Das qualifizierte Zeugnis für den ausscheidenden Mitarbeiter sollte vollständig ausformuliert als Anlage zu der Aufhebungsvereinbarung genommen werden. Dies beugt etwaigem späteren Streit über den Inhalt des Zeugnisses vor (vgl. BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 8/15, juris Inhalt eines Zeugnisses; BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, DB 2008, 2546 = BB 2008, 2514 – zur Bestimmung des Umfanges der Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit). Klare Formulierungen beugen auch dem Grundsatzstreit, ob es in der "Zeugnissprache", also im allgemein üblichen Verständnis von Leistungsbeurteilungen in Arbeitszeugnissen, eine fünfstellige Notenskala oder eine siebenstellige Notenskala gibt, und was diese im Einzelnen auszudrücken pflegen (vgl. LAG Düsseldorf v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20, juris Rn 76). Zumindest sollten konkrete Inhalte, wie "stets zur vollsten Zufriedenheit" (krit. zur sprachlichen Formulierung LAG Düsseldorf v. 11.11.1994 – 17 Sa 1158/94, DB 1995, 1135), vorgegeben sein. Denn andernfalls müsste der Arbeitnehmer beweisen, dass er besser als befriedigend gewesen sei (vgl. BAG v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13). Der Arbeitgeber hat einen Beurteilungsspielraum (vgl. LAG Düsseldorf v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20, juris Rn 68, nachfolgend BAG v. 25.1.2022 – 9 AZR 146/21, juris; BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, juris Rn 11).
Rz. 316
Eine Schlussformulierung oder Verabschiedungsformel mit dem Dank für die langjährige Zusammenarbeit, und/oder dem Ausdruck des Bedauerns über das Ausscheiden und/oder dem Ausspruch guter Zukunftswünsche, kann ebenfalls als ausformulierte Vorgabe sehr sinnvoll sein (s. Checkliste: Grundelemente des qualifizierten Zeugnisses, unten § 32 Rdn 68). Das BAG räumt ein, dass positive Schlusssätze geeignet sein können, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen. Ein Zeugnis werde durch einen Schlusssatz aufgewertet, in dem der Arbeitgeber sein Dank für die guten Leistungen zum Ausdruck bringt und dem Arbeitnehmer für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute wünscht (vgl. BAG v. 25.1.2022 – 9 AZR 146/21, juris Rn 17). Aber der Arbeitgeber ist nach der Rspr. des BAG nicht verpflichtet ist, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht (vgl. BAG v. 25.1.2022 – 9 AZR 146/21, juris; BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, juris; BAG v. 20.2.2001 – 9 AZR 44/00, NZA 2001, 843 = DB 2001, 1674). Diese Rspr. hat das BAG in ständiger Rspr. bestätigt (vgl. zum Meinungsstreit die Übersicht in LAG Düsseldorf v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20, juris Rn 84 ff.). Aussagen über "persönliche Empfindungen" gehören nach der BAG-Rspr. nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt (vgl. BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 Dankesformel; a.A.: LAG Düsseldorf v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20, juris Rn 87 ff., 92, aufgehoben vom BAG v. 25.1.2022 – 9 AZR 146/21, juris, Rechtsanspruch auf Dank und gute Wünsche folge aus dem Rücksichtnahmegebot gem. § 109 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 GewO i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB; ebenso LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 2.4.2019 – 2 Sa 187/18 nkr., anhängig BAG 9 AZN 914/19). Nach LAG München (v. 15.7.2021 – 3 Sa 188/21, juris Ls. 1 und 2 sowie Rn 39) hat eine Arbeitnehmerin, deren Leistung und Verhalten im Zeugnis mit "gut" bewertet worden ist, keinen Anspruch auf Bescheinigung des Bedauerns über ihr Ausscheiden, schon gar nicht auf die Steigerung "wir bedauern sehr".
Rz. 317
Das Zeugnis muss in erster Linie wahr sein (vgl. LAG Düsseldorf v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20, juris Rn 69). Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber muss das Zeugnis inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein (vgl. BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 8/15, juris Rn 16). Die Wahrheitspflicht umfasst alle Fragen des Zeugnisrechts und damit den gesamten Inhalt eines Zeugnisses (vgl. LAG Düsseldorf v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20, juris Rn 69). Zwischen dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens und der Wahrheitspflicht besteht ein Spannungsverhältnis (vgl. LAG Düsseldorf v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20, juris Rn 69). Zwar soll ein Zeugnis das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren. Es kann aber nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein (vgl. BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 8/15, juris Rn 16). Neben dem Grundsatz der Zeugniswahrheit ist das qualifizierte Zeugnis auch von dem Gebot der Zeugnisklarheit geprägt (vgl. BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, juris). Für die Beurteilung der Zeugnisklarheit ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Zeugnislesers abzustellen (vgl. LAG Düsseldorf v. 12.1.2021 – 3 Sa 800/20, juris Rn 70; BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, juris Rn 15). Zu berücksichtigen ist, dass nach Auffassung des LAG Hessen der Grundsatz der Zeugniswahrheit es ausschließt, in ein qualifiziertes Zeugnis einen Beendigungsgrund aufzunehmen, der ohne gerichtsförmige Feststellung lediglich als Kompromissformel in einen Pr...