Rz. 363

Wegen der umfassenden arbeitsrechtlichen, insb. aber auch sozial- und steuerrechtlichen Konsequenzen, sollte sich jeder Arbeitgeber und jeder Arbeitnehmer umfassend über sämtliche Konsequenzen vor Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung informieren. Es empfiehlt sich, anwaltlichen Rat einzuholen, ggf. aber auch mit der Arbeitsagentur zu sprechen (vgl. zur Beratungspflicht der BA über den vorteilhaften Zeitpunkt für die Stellung eines Antrags auf Alg, BSG v. 13.3.2018 – B 11 AL 12/17 R, juris; grundlegend bereits BSG v. 5.8.1999 – B 7 AL 38/98 R, NJW 2000, 2043) bzw. eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes (vgl. Rdn 226) einzuholen.

 

Rz. 364

Dies gilt insb. für den Arbeitnehmer. Er sollte sich in jedem Fall umfassend sachkundig machen. Denn grds. ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, von sich aus auf schädliche Folgen von Aufhebungsvereinbarungen für den Arbeitnehmer hinzuweisen (vgl. BAG v. 23.5.1989 – 3 AZR 257/88, DB 1989, 2492 = BB 1990, 211; a.A. ArbG Wetzlar v. 29.8.1995, NZA-RR 1996, 84). Es ist nach der Rspr. des BAG vielmehr davon auszugehen, dass sich der Arbeitnehmer vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages dessen Folgen überlegen wird und sich entsprechend selbst informiert (vgl. BAG v. 18.2.2020 – AZR 206/18, juris; BAG v. 16.11.2005, NZA 2006, 538; BAG v. 3.7.1990, DB 1990, 2431; BAG v. 13.11.1984, BAGE 47, 169 = NZA 1985, 712; BAG v. 18.9.1984, NZA 1985, 712 = EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 37) sowie sich selbst i.d.R. über die Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klarheit verschaffen muss (vgl. BAG v. 21.2.2002 – 2 AZR 749/00, NZA 2002, 1416 = BB 2002, 2335; BAG v. 11.12.2001 – 3 AZR 339/2000; BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, II. 2. a. der Gründe, DB 2000, 2174).

 

Rz. 365

Das BAG hat mit Urt. v. 18.2.2020 (vgl. BAG v. 18.2.2020 – 3 AZR 206/18, juris Rn 34 ff.) seine umfassende diesbezügliche Rspr. wie folgt zusammengefasst:

a) Zwar treffen den Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis keine allgemeinen Beratungspflichten. Er ist aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) jedoch verpflichtet, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Dies gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer. Zwar hat jede Partei grds. für die Wahrung ihrer Interessen selbst zu sorgen und sich Klarheit über die Folgen ihres Handelns zu verschaffen. Aus der Schutz- und Rücksichtnahmepflicht können sich gleichwohl Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ergeben. Diese Pflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung (BAG v. 20.6.2017 – 3 AZR 179/16, juris Rn 86 f.).

 

Rz. 366

b) Danach können den Arbeitgeber in folgenden Konstellationen Informations- und Hinweispflichten treffen:

 

Rz. 367

aa) Gesteigerte Informationspflichten können den Arbeitgeber vor allem dann treffen, wenn eine nachteilige Vereinbarung – etwa über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auf seine Initiative und in seinem Interesse getroffen wird (vgl. BAG v. 15.4.2014 – 3 AZR 288/12, juris Rn 45 m.w.N.). Denn durch das Angebot eines solchen Vertrags kann der Arbeitgeber den Eindruck erwecken, er werde auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen, atypischen Versorgungsrisiken aussetzen (vgl. BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99 juris zu II 2 a der Gründe m.w.N.).

 

Rz. 368

bb) Eine Hinweispflicht kann aber auch dann bestehen, wenn eine Maßnahme nicht auf einer Initiative des Arbeitgebers beruht. Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind stets zu beachten (vgl. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 71/07, juris Rn 29 m.w.N.). Wie groß das Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ist, hängt insbesondere von der Schwierigkeit der Rechtsmaterie sowie dem Ausmaß der drohenden Nachteile und deren Voraussehbarkeit ab. Der Arbeitgeber darf allerdings weder durch das Bestehen noch durch den Inhalt der arbeitsvertraglichen Informationspflicht überfordert werden (vgl. etwa BAG v. 11.12.2012 – 3 AZR 611/10, juris Rn 69 m.w.N.). Eine Auskunftspflicht besteht daher, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer über eine größere "Informationsnähe" verfügt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Arbeitgeber die Informationen besitzt oder – anders als der Arbeitnehmer, der sie benötigt – ohne Schwierigkeiten beschaffen kann.

 

Rz. 369

cc) Erteilt schließlich der Arbeitgeber Auskünfte – ohne dass er im konkreten Fall zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für den Arbeitnehmer gehalten ist, von sich aus geeignete Hinweise zu geben –, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein (vgl. etwa BAG v. 15.12.2016 – 6 AZR 578/15, juris Rn 20). Dies gilt für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung in besonderem Maße in Hinblick auf die fina...

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