1. Ziel eines abschließenden Schlussstrichs
Rz. 386
Üblicherweise enthalten Aufhebungsvereinbarungen bzw. gerichtliche Vergleiche (vgl. zur Reichweite allgemeiner Erledigungsklauseln in arbeitsgerichtlichen Vergleichen, ausführlich Korinth, ArbRB 2013, 321 ff.) am Ende eine allgemeine Ausgleichsklausel, wonach mit der Erfüllung der Vereinbarung sämtliche bekannten (oder weiter gehend: und unbekannten) Ansprüche der Parteien aus bzw. im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis einschließlich seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, vollständig erledigt sind. Zu den “Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis‘ gehören alle Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Maßgeblich ist, ob eine enge Verknüpfung des Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis besteht. Hiervon abzugrenzen sind Ansprüche, die sich aus anderen, selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen zivilrechtlichen Verträgen ergeben (vgl. BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 873/08, ZA 2011, 1159 = BB 2011, 1659). Gesamterledigungsklauseln sollen für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses klare Verhältnisse schaffen und weitere Streitigkeiten verhindern (vgl. BAG v. 8.3.2006 – 10 AZR 349/05; BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 225/08, ZA 2010, 883 = DB 2010, 1589). Es dient dem Interesse beider Parteien, mit der Aufhebungsvereinbarung einen abschließenden Schlussstrich zu ziehen (vgl. § 28 des Mustervertrages, Rdn 454). Wegen der weitreichenden Konsequenzen einer solchen Klausel sollten sich die Parteien genau zuvor überlegen, ob tatsächlich alle Punkte interessengerecht geregelt sind. Zur Wirksamkeit kann es bei vom Arbeitgeber vorgegebenen Aufhebungsvereinbarungen darauf ankommen, dass der Arbeitgeber nicht nur einzelne Klauseln, sondern gerade auch die Erledigungsklausel zur Disposition stellt (s. im Einzelnen unten Rdn 391)
2. Rechtsqualität von Ausgleichsklauseln
Rz. 387
Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die in einer Erledigungsklausel/Ausgleichsquittung abgegebenen Erklärungen haben, ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BAG v. 28.10.2021 – 8 AZR 371/20, juris Rn 32; BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14; BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 225/08, DB 2010, 1589; BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07; BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 352/07).
3. Konstitutives Schuldanerkenntnis, deklaratorisches Schuldanerkenntnis, Erlassvertrag oder Vergleich
Rz. 388
Nach der Rspr. des BAG handelt es sich bei einer solchen allgemeinen Erledigungsklausel üblicherweise um ein selbstständiges Schuldanerkenntnis (negatives konstitutives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 397 Abs. 2 BGB), das alle Ansprüche zum Erlöschen bringt, die den Erklärenden bekannt waren oder mit deren Bestehen zu rechnen war (vgl. BAG v. 28.10.2021 – 8 AZR 371/20, juris Rn 31 ff.; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338 = DB 2011, 2663; BAG v. 23.2.2005, NZA 2005, 1193 = DB 2005, 2025; BAG v. 31.7.1996, BB 1996, 2524 = NZA 1997, 167; BAG v. 31.5.1990, DB 1991, 392 = NZA 1990, 935; LAG Hessen v. 25.4.2007 – 6 Sa 32/07, LNR 2007, 39461; a.A. Kroeschel, NZA 2008, 560, 562, wonach Ausgleichsklauseln – ohne das Hinzutreten besonderer Umstände – als deklaratorische Schuldanerkenntnisse auszulegen seien). Ausgleichsklauseln in gerichtlichen Vergleichen, die ausdrücklich auch unbekannte Ansprüche erfassen, sind regelmäßig als umfassender Anspruchsausschluss in Form eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses zu verstehen (vgl. BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 137/14). Eine solche Erledigungsklausel kann nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass es sich insoweit um eine Bedingung handelt, deren Herbeiführung ins Belieben einer Partei gestellt ist (vgl. LAG München v. 24.4.1997 – 2 Sa 1004/96, BB 1998, 269). Ein deklaratorisches (negatives) Schuldanerkenntnis, dass seine Grundlage in der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB) hat, ist nach der Rspr. des BAG anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (vgl. BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14; BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13; BAG v. 25.9.2013 – 5 AZR 936/12; BAG v. 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, BB 2004, 1280; BAG v. 8.3.2006, NZA 2006, 854 = DB 2006, 1433). Die Parteien gehen dann davon aus, dass keine Ansprüche mehr bestehen. Das deklaratorische Schuldanerkenntnis hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer mit sämtlichen Einwendungen rechtlicher und tatsächlicher Natur und der Geltendmachung sämtlicher Einreden ausgeschlossen ist, die ihm bei Abgabe der Erklärung bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete (vgl. BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14; LAG Rheinland-Pfalz v. 21.9.2017 – 5 Sa 61/17). Der Zweck des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses besteht darin, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen. Die Angabe des Schuldgrundes in der Vereinbarung spricht entscheidend für das Vorliegen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses, durch das eine bereits bestehende Schuld bestätigt werden soll (vgl. BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14; BAG v. 11.12.2015 – V ZR...