Rz. 22
Dank der EuErbVO können nun grundsätzlich auch Deutsche eine Rechtswahl treffen. Insoweit kann von einer echten Erweiterung in den Möglichkeiten bei der Gestaltung und Abfassung einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen gesprochen werden. Kurz zur Erinnerung: Vor Einführung der EuErbVO war eine Rechtswahl, zumindest aus deutschen Gesetzen heraus, nur Ausländern gestattet, welche Grundvermögen in Deutschland besaßen – und auch nur gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. bezüglich des sich im Inland befindlichen Vermögens. Optierten in Deutschland lebende Ausländer insgesamt zugunsten deutschen Erbrechts, so war dies nur über die IPR-Vorschriften des jeweiligen Heimatlandes des Testators möglich (Beispiel: Art. 146 ital. IPRG a.F., welches es dauerhaft im Ausland lebenden Italienern gestattete, zugunsten des Rechts zu optieren, in dessen Land sie leben; eine doch insgesamt sehr fortschrittliche IPR-rechtliche Regelung).
Rz. 23
Die Regelung des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO gestattet einer Person, in Form einer Rechtswahl zugunsten des Staates zu optieren, welchem sie im Zeitpunkt seines Todes angehört. An die Form der Rechtswahl werden zu Recht keine allzu großen Hürden gestellt. Ausreichend ist es bereits, wenn der Erblasser die betreffende Rechtsordnung entsprechend benennt bzw. wenn er im Rahmen seiner Rechtswahl lediglich das Anknüpfungsmoment der Staatsangehörigkeit abstrakt bezeichnet.
a) Bedingte und befristete Rechtswahl
Rz. 24
Sowohl eine bedingte als auch eine befristete Rechtswahl ist gem. Art. 22 EuErbVO zulässig. Denkbar ist also als möglicher praktischer Anwendungsbereich einer bedingten bzw. befristeten Rechtswahl, dass in einer wechselseitigen Verfügung von Todes wegen die getroffene Rechtswahl der Ehegatten nur für den ersten Erbfall (Todesfall) gelten soll. Auf den Erbfall des Letztversterbenden soll dann eine andere Rechtswahl bzw. aber auch keine Rechtswahl gelten, also Art. 21 Abs. 1 EuErbVO zur Anwendung gelangen. So lassen sich unter Ausnutzung verschiedener Erbrechte verschiedene Gestaltungsinstrumente optimal nutzen. Aus der EuErbVO lässt sich effektiv kein Anhaltspunkt entnehmen, welcher einer befristeten oder gar bedingten Rechtswahl entgegensteht.
b) Unbedingte und konkludente Rechtswahl
Rz. 25
Freilich kann eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO sowohl ausdrücklich als auch konkludent in einer Verfügung von Todes wegen erfolgen. Da sich die konkludente Rechtswahl jedoch nur durch Auslegung der letztwilligen Verfügung von Todes wegen ergibt, kann im Umkehrschluss eine isolierte Rechtswahl nur ausdrücklich, mithin expressis verbis, erfolgen.
c) Staatsangehörigkeit mit mehreren Teilrechtsordnungen
Rz. 26
Verstirbt eine Person, welche eine Staatsangehörigkeit besitzt, in welcher es mehrere Teilrechtsordnungen gibt, so ist die Bestimmung des Erbstatuts nicht ganz einfach. Ganz grundsätzlich wird in einem solchen Fall zunächst einmal zu prüfen sein, ob dieser Staat, zu dessen Recht von Todes wegen optiert wird, über ein interlokales Kollisionsrecht verfügt oder nicht. Existiert in dem Land kein interlokales Kollisionsrechts, so ist gem. Art. 36 Abs. 2 lit. b EuErbVO nur die Teilrechtsordnung wählbar, zu dem der Testator die engste Verbindung hatte, etwa über seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt. Besitzt das Land indes ein interlokales Kollisionsrecht, so wirkt sich dieses Recht ganz erheblich auf den Kreis der effektiv wählbaren Rechte aus. So ist zum einen, abweichend von Art. 22 EuErbVO, nur das Recht zum Zeitpunkt des Todes, nicht hingegen das Recht zum Zeitpunkt der Errichtung wählbar. Zum anderen ist akribisch zu prüfen, ob das interlokale Kollisionsrecht eine Rechtswahl überhaupt gestattet. Ist dies der Fall, ergeben sich keine Probleme. Ist dies jedoch nicht der Fall, so ist lediglich die Teilrechtsordnung wählbar, welche das interlokale Kollisionsrecht zulässt.
d) Form der Rechtswahlerklärung
Rz. 27
Die zu treffende Rechtswahl kann gem. Art. 22 Abs. 2 EuErbVO entweder ausdrücklich oder konkludent in einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen erfolgen. Dabei muss die Rechtswahl nicht zwingend mit einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen verbunden sein. Bei einer konkludent erfolgten Rechtswahl ist das gewählte Recht durch Auslegung des Testaments bzw. der letztwilligen Verfügung zu ermitteln. Diese Ermittlung hat verordnungsautonom zu erfolgen.
e) Rechtsfolgen einer Rechtswahl
Rz. 28
Bei einer wirksam angeordneten Rechtswahl ist die Rechtsfolge, dass in kollisionsrechtlicher Wirkung die Rechtsnachfolge von Todes wegen, abweichend von Art. 21 Abs. 1 ...