Rz. 104
Das Verhältnis zwischen Erbstatut und Güterrechtsstatut hat mit Einführung der EuGüVO einen Gleichklang erfahren. In beiden Fällen werden die Statute, also das Erb- und das Güterstatut, nunmehr aufgrund von Europäischen Verordnungen bestimmt. Für den Erbrechtler recht erfreulich ist dabei, dass gem. Art. 4 EuGüVO in einem Erbfalle, in welchem die Verordnung 650/2012 (EuErbVO) zur Anwendung gelangt, die für das Erbrecht maßgeblichen Gerichte auch für die Entscheidungen über den Güterstand zuständig sind.
1. Einordnung des § 1371 BGB
Rz. 105
Vorherrschend ist, dass § 1371 BGB, obwohl eine mit dem Erbrecht sehr enge Verzahnung besteht, noch immer als reine güterrechtliche Norm zu qualifizieren ist. Dabei ist jedoch beachtlich, dass über § 1371 Abs. 1 BGB der schematisierte Zugewinnausgleich, welcher im Güterrecht der Ehegatten seinen Ausgangspunkt hat, erbrechtlich realisiert wird. Unerheblich ist dabei, ob überhaupt tatsächlich ein Zugewinn erwirtschaftet wurde oder nicht. In der Rechtsprechung indes überwogen in den vergangenen Jahren Entscheidungen, nach denen die Erbquoten ausschließlich nach dem Erbstatut bestimmt werden. Weiter befeuert werden dürfte der Streit durch die ergangene Entscheidung des EuGH zur Aufnahme der pauschalen Erhöhung nach § 1371 BGB als weitere ¼-Erbquote der Ehegattin in einem ENZ. Der EuGH hat in diesem Fall die Aufnahme im ENZ angenommen und erbrechtlich qualifiziert.
2. Anwendbarkeit des § 1371 BGB bei Auslandsbezug
Rz. 106
Es erscheint angebracht, deutsches Güterstatut und ausländisches Erbstatut als kombinationsfähig anzusehen und soweit erforderlich einer "anpassenden Reduktion" zu unterziehen. Dies erhöht den Erbteil des Ehegatten (pauschalierter Zugewinnausgleich) unter Anwendung ausländischen Erbrechts trotz des Umstandes, dass der § 1371 BGB derzeit in deutscher Rechtsprechung und Literatur noch immer als reine güterrechtliche Norm zu qualifizieren ist. Die zuvor erwähnte "anpassende Reduktion" soll immer dann angewandt werden, wenn die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils – nach ausländischem Recht – zu einer höheren Erbquote führt als dies bei der Anwendung deutschen Ehegüter- und Erbrechts der Fall wäre.
Rz. 107
Es bleibt abzuwarten, welche langfristigen Impulse von der nunmehr ergangenen Positionierung des EuGH zum nationalen Diskurs ausgehen werden. Im internationalen Bezug jedenfalls ist die Erhöhung der Erbquote auf zwei Mal ¼, mithin ½ (§§ 1371 und 1931 BGB) beim überlebenden Ehegatten, unter Anwendung deutschen gesetzlichen Erbrechts, jedenfalls keine Schlechterstellung des überlebenden Ehegatten im internationalen Erbfall. Allein aus rein pragmatischen Gesichtspunkten spricht einiges dafür, im internationalen Erbfall stets von einer erbrechtlichen Qualifizierung auszugehen.
3. Exkurs: Die Europäische Güterrechtsverordnung EU 2016/1103
Rz. 108
Gemäß Art. 1 EuGüVO hat die Verordnung im Wesentlichen den ehelichen Güterstand zum Regelungsumfang. Nach Art. 3 Abs. 1a EuGüVO fallen darunter "sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen, die zwischen den Ehegatten und in ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund der Ehe oder der Auflösung der Ehe gelten", darüber hinaus jede Form von Vereinbarung über den ehelichen Güterstand zwischen Ehegatten oder künftigen Ehegatten, mit der sie ihren ehelichen Güterstand regeln. Davon mit umfasst ist die Möglichkeit einer Rechtswahl der Ehegatten gem. Art. 22 EuGüVO. Des Weiteren findet diese Verordnung auch Anwendung auf gerichtliche Entscheidungen den Güterstand betreffend. Die entsprechende Regelung findet sich in Art. 3 Abs. 1d EuGüVO.
Rz. 109
Der Güterstand bestimmt sich ab dem 29.1.2019, sofern die Eheleute keine Rechtswahl auf ihren ehelichen Güterstand anzuwendendes Recht durch Vereinbarung i.S.v. Art. 22 EuGüVO treffen, gem. Art. 26 Abs. 1a EuGüVO nach dem Recht des Staates, in welchem die Ehegatten ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt nach ihrer Eheschließung hatten. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes ist autonom auszulegen. Unklar ist die Länge des Zeitraums, auf welche bei der Annahme des gewöhnlichen Aufenthaltes abzustellen ist. Teilweise werden mindestens drei Monate vorgeschlagen. Fehlt es an einem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, so...