a) Erfasste Betriebe

 

Rz. 9

Voraussetzung für die Betriebsfortführung und die Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven ist zunächst, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Betriebs an einen Dritten verpachtet werden. Betrieb in diesem Sinne ist ein Gewerbebetrieb nach Maßgabe des § 15 EStG. Des Weiteren fallen land- und forstwirtschaftliche Betriebe in den Anwendungsbereich des Wahlrechts.[9] Auch für die Verpachtung einer freiberuflichen Praxis kommt dessen Anwendung grds. in Betracht, jedenfalls bei nur vorübergehender Überlassung.[10] Voraussetzung ist aber, dass ein verpachtbarer Betrieb vorliegt, was bei Notaren, Künstlern und Schriftstellern zu verneinen ist, weil als Betrieb nur eine sachlich selbstständige wirtschaftliche Einheit in Betracht kommt.[11] Probleme bereiten zudem längerfristige Verpachtungen. Hier ist streitig, ob eine Betriebsverpachtung möglich ist oder von einer verdeckten Veräußerung ausgegangen werden muss.[12] Für die Anwendbarkeit des Wahlrechts spricht hier der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewinneinkunftsarten.[13]

 

Rz. 10

Das Verpächterwahlrecht gilt des Weiteren grds. auch für die Verpachtung eines Teilbetriebs. Teilbetrieb im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ist ein mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich betrachtet alle Merkmale eines Betriebs aufweist und als solcher lebensfähig ist.[14] Es muss sich also um die Zusammenfassung mehrerer Wirtschaftsgüter handeln, und dieser organisch geschlossene Teil muss lebensfähig sein, d.h. mit ihm kann eine eigenständige betriebliche Tätigkeit ausgeübt werden.[15] Dabei ist auf die Eigenständigkeit des Unternehmensteils abzustellen. Die zusammengefassten Wirtschaftsgüter müssen hierzu einer Betätigung dienen, die sich von der übrigen gewerblichen Betätigung abhebt und unterscheidet.[16]

 

Rz. 11

Zur Konkretisierung dieser Anforderungen stellt die Rechtsprechung darauf ab, dass in der Regel ein eigener Kundenkreis und eigene Einkaufsbeziehungen vorliegen müssen.[17] Weitere Indizien sind die eigenständige Buchführung[18] des Betriebsteils sowie seine örtliche Trennung vom übrigen Unternehmen.[19] Des Weiteren kommt der Einflussnahme auf die Preisgestaltung Bedeutung zu, die jedoch im Einzelfall von der Art des Vertriebs und der jeweiligen Branche abhängt. Die Rechtsprechung verlangt zudem ein personelles Eigenleben innerhalb des Gesamtbetriebs, so dass insbesondere im Einzelhandel eigenes Personal für die verschiedenen Teilbetriebe vorhanden sein muss. Schädlich ist in diesem Zusammenhang, wenn das Personal gleichzeitig ausgebildet und je nach Bedarf in verschiedenen Unternehmensteilen eingesetzt wird.[20] Für die Annahme eines Teilbetriebs sprechen schließlich ein eigenes Anlagevermögen und ein eigenes Warenlager.[21]

 

Rz. 12

Liegt nach den dargestellten Kriterien ein Teilbetrieb vor, hat der Verpächter grds. das Wahlrecht zwischen fortbestehendem gewerblichem Teilbetrieb und Teilbetriebsaufgabe. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Teilbetrieb im Rahmen des gesamten Betriebs verpachtet wird, d.h. ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Restbetrieb bleibt, z.B. weil umfangreiche Lieferbeziehungen zwischen Pacht- und Restbetrieb bestehen.[22] Ebenfalls ausgeschlossen ist die unterschiedliche Anwendung des Verpächterwahlrechts im Hinblick auf verschiedene Teilbetriebe, wenn eine gewerblich tätige oder geprägte Personengesellschaft einen Teilbetrieb verpachtet.[23]

[9] BFH v. 18.3.1999, BStBl II 1999, 398; BFH v. 28.7.2006, BFH/NV 2006, 2073.
[10] BFH v. 12.3.1992, BStBl II 1993, 36.
[11] Schmidt/Wacker, EStG, § 18 Rn 215.
[12] So FG Saarland v. 18.12.1996, EFG 1997, 654.
[13] In diese Richtung Schmidt/Wacker, EStG, § 18 Rn 215; Korn, KÖSDI 1999, 12091, 12102.
[14] BFH v. 24.11.1982, BStBl II 1983, 113.
[15] BFH v. 4.7.1973, BStBl II 1973, 838.
[16] BFH v. 13.2.1996, BStBl II 1996, 409.
[17] BFH v. 24.4.1980, BStBl II 1980, 690; BFH v. 12.2.1992, BFH/NV 1992, 516; BFH v. 10.3.1998, BFH/NV 1998, 1209.
[19] BFH v. 13.2.1996, BStBl II 1996, 409.
[20] BFH v. 24.11.1982, BStBl II 1983, 113.
[21] BFH v. 8.9.1971, BStBl II 1972, 118; BFH v. 24.4.1980, BStBl II 1980, 690; BFH v. 13.2.1996, BStBl II 1996, 409.
[22] Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn 694, mit Hinweis auf BFH v. 18.6.1998, BStBl II 1998, 735.
[23] Zu Gestaltungswegen im Rahmen einer Realteilung Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn 694; BFH v. 17.9.2015, DStR 2016, 377.

b) Überlassung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen

aa) Funktionale Betrachtungsweise

 

Rz. 13

Liegt ein verpachtbarer Betrieb oder Teilbetrieb im dargestellten Sinne vor, ist für die Betriebsfortführung erforderlich, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen überlassen werden. Maßgeblich ist hier eine rein funktionale Betrachtungsweise; es wird also auf die Funktion des einzelnen Wirtschaftsguts im Betrieb bzw. Teilbetrieb abgestellt. Auf die in dem jeweiligen Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven kommt es nicht an. Eine quantitative Betrachtungsweise scheidet mithin aus.

 

Rz. 14

Entscheidend ist, ob das Wirtschaftsgut für die Fo...

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