Lars Micker, Rabea Schwarz
I. Bedeutung für die Unternehmensnachfolge
Rz. 1
Eine Vielzahl von Unternehmern muss sich mit der Frage auseinandersetzen, wie die jeweilige Nachfolge optimal gestaltet werden kann. Die Beantwortung dieser Frage ist von besonderer Schwierigkeit, wenn für die Unternehmensnachfolge kein Familienangehöriger in Betracht kommt, etwa weil in diesem Personenkreis keine unternehmerischen Interessen bzw. Qualifikationen vorliegen. Außerdem kann eine Betriebsveräußerung im Vorfeld der Nachfolge möglicherweise noch nicht zweckmäßig erscheinen, etwa weil (noch) kein angemessener Preis erzielt werden kann oder potentielle Käufer (noch) nicht vorhanden sind.
Rz. 2
In diesen Konstellationen kann an das Institut der Betriebsverpachtung gedacht werden. Hiermit sind verschiedene Vorteile verbunden: Aus Sicht des Verpächters bleiben die Vermögenswerte erhalten; die Betriebsveräußerung kann zu einem späteren (und möglicherweise günstigeren) Zeitpunkt immer noch in Betracht gezogen werden. Des Weiteren kann durch die Pacht möglicherweise eine erhebliche Rendite erzielt werden. Auch erbschaft- und schenkungsteuerlich kann sich die Gestaltung über eine Betriebsverpachtung im Hinblick auf die Verschonungsregelungen des Betriebsvermögens als vorteilhaft erweisen.
II. Steuerrecht
Rz. 3
Will ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb nicht mehr persönlich fortführen, kommen für ihn verschiedene Möglichkeiten in Betracht, die unterschiedliche steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zunächst ist an eine Betriebsveräußerung im Ganzen zu denken, wobei der Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 EStG zu versteuern ist. Die Vergünstigungen nach § 16 Abs. 4 EStG und § 34 EStG sind anwendbar (vgl. Rdn 49 ff.).
Rz. 4
Die gleichen Rechtsfolgen löst eine Betriebsaufgabe aus, für die § 16 Abs. 3 S. 1 EStG bestimmt, dass sie für steuerliche Zwecke als Veräußerung nach § 16 Abs. 1 EStG zu werten ist. Um in den Genuss der Vergünstigungen des § 16 Abs. 4 bzw. § 34 EStG zu gelangen, muss es sich indes um eine Betriebsaufgabe im Ganzen handeln. Dies ist der Fall, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang in das Privatvermögen übernommen werden und die bisherige Tätigkeit endgültig eingestellt wird, so dass der Betrieb nicht mehr existiert.
Rz. 5
Alternativ zur Betriebsaufgabe, die zu einer Aufdeckung der stillen Reserven des Betriebs führt, kann Steuerneutralität durch eine Betriebsverpachtung im Ganzen erreicht werden: Wenn der Steuerpflichtige seinen Gewerbebetrieb nicht mehr selbst betreibt, sondern ihn an einen Dritten im Ganzen verpachtet, kann er die Betriebsaufgabe – durch Ausübung des so genannten Verpächterwahlrechts – vermeiden. Nach § 16 Abs. 3b S. 1 EStG gilt ein Gewerbebetrieb bzw. ein Mitunternehmeranteil nämlich nicht als aufgegeben, bis der Steuerpflichtige die Aufgabe ausdrücklich gegenüber dem Finanzamt erklärt oder dem Finanzamt Tatsachen bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen für eine Aufgabe nach § 16 Abs. 3 S. 1 EStG erfüllt sind. Erklärt der Steuerpflichtige, dass er den Betrieb verpachtet hat, weil er ihn aufgeben wollte, liegt folglich eine Betriebsaufgabe vor, so dass die verpachteten Wirtschaftsgüter mit der Aufgabeerklärung Privatvermögen werden und ein nach §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigter Aufgabegewinn entsteht. Gibt er eine solche Erklärung dagegen nicht ab, gilt der Betrieb aus einkommensteuerrechtlicher Perspektive als fortbestehend, bis eine ausdrückliche Aufgabeerklärung durch den Steuerpflichtigen vorliegt bzw. dem Finanzamt Tatsachen bekannt werden, dass die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe vorliegen. Die Aufdeckung stiller Reserven wird damit aufgeschoben.
III. Zivilrecht
Rz. 6
Um steuerlich in den Genuss der Aufschiebung der Besteuerung stiller Reserven zu gelangen, bedarf es zunächst eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts, das die Überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vom Verpächter an den Pächter regelt. Insoweit kommen zunächst sowohl Pachtverträge nach §§ 581 ff. BGB als auch Mietverträge nach §§ 535 ff. BGB in Betracht. Auch die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Einzelunternehmen unterliegt steuerlich den Regeln einer Betriebsverpachtung, weil auch hier der Nießbrauchsbesteller seine werbende Tätigkeit beendet. Die Bestellung eines Nießbrauchs an einem verpachteten Betrieb führt dazu, dass drei Betriebe entstehen: ein ruhender in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (und Nießbrauchsverpflichteten) sowie ein ruhender in der Hand des Nießbrauchsberechtigten und bisherigen Eigentümers und ein wirtschaftender in der Hand des Pächters.
Rz. 7
Auch die unentgeltliche Überlassung führt zur Anwendung der Grundsätze der Betriebsverpachtung, wenn nach der Übertragung nicht wesentlicher Betriebsgrundlagen (vgl. Rdn 13 ff.) im Wege vorweggenommener Erbfolge die wesentlichen Betriebsgrund...