Rz. 7
Wird einer Person ein bestimmter Anteil des Nachlasses zugewendet (als Bruchteil oder als Prozentsatz des Vermögens), so ist mit der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB – sofern kein anderer Erblasserwille vorrangig festzustellen ist –, also bei verbleibenden Zweifeln, davon auszugehen, dass der Zuwendungsempfänger als Erbe eingesetzt ist. Jedoch steht es dem Erblasser frei, dem Zuwendungsempfänger einen bestimmten Bruchteil des Nachlasswertes nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten als sog. Quotenvermächtnis zuzuwenden.
Rz. 8
Auslegungsregel: § 2087 Abs. 2 BGB; bestimmte Worte sind nicht erforderlich. Die Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes ist i.d.R. Vermächtnisanordnung. Allerdings ist die Höhe des Vermächtnisses nicht beschränkt. Es kann auch den gesamten Nachlass aufzehren, so dass dem Erben nichts mehr verbleibt, sog. Universalvermächtnis. D.h., die Auslegung eines Testaments im Sinne einer Erbeinsetzung setzt nicht notwendig voraus, dass dem Erben dem Wert nach der größte Teil des Nachlasses verbleibt.
Rz. 9
Die Zuwendung einzelner Nachlassgegenstände spricht nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB zwar für eine Vermächtnisanordnung, diese Auslegungsregel ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn sich ein abweichender Wille des Erblassers feststellen lässt. Ein solcher abweichender Wille des Erblassers liegt in der Regel nahe, wenn die zugewendeten Vermögensbestandteile das im Testament nicht weiter genannte Vermögen an Wert erheblich übertreffen, insbesondere wenn angenommen werden kann, der Erblasser habe in diesen Gegenständen – wie dies gerade bei Immobilienvermögen häufig der Fall ist – im Wesentlichen seinen Nachlass erblickt. Für die Feststellung, in welchem Verhältnis der Wert des zugewendeten Gegenstands zum übrigen Vermögen des Erblassers steht, sind insoweit – also hinsichtlich der Frage einer Erbeinsetzung – die Vorstellungen des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung maßgebend.
Rz. 10
Vorrangig vor der Anwendung der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB ist die individuelle Auslegung. Hat der Erblasser testamentarisch Einzelzuwendungen von Gegenständen oder Vermögensgruppen vorgenommen, die nach seiner Vorstellung bei Testamentserrichtung praktisch sein gesamtes Vermögen ausmachen, ist entgegen § 2087 Abs. 2 BGB regelmäßig von Erbeinsetzung auszugehen; denn es kann nicht angenommen werden, dass der Erblasser seinen gesamten wesentlichen Nachlass verteilt, ohne einen oder mehrere Erben einsetzen zu wollen. Die Auslegung kann ergeben, dass ein Bedachter Alleinerbe ist, wenn ihm ein das übrige Vermögen an Wert so sehr übersteigender Gegenstand zugewandt ist, dass die Annahme nahe liegt, der Erblasser habe im Wesentlichen in diesem Gegenstand seinen Nachlass erblickt. Sie kann auch ergeben, dass alle Bedachten Erben sind, wobei dann die Erbquoten anhand des wirtschaftlichen Wertverhältnisses der zugewandten Gegenstände oder Vermögensgruppen zu ermitteln sind.