Rz. 55
Nach Eintritt des Erbfalls und bis zur Eigentumsumschreibung des Vermächtnisgrundstücks auf den Vermächtnisnehmer ist der Erbe bzw. sind die mehreren Erben rechtmäßige Eigentümer des Grundstücks, weil das Eigentum auf sie nach § 1922 BGB kraft Gesetzes übergegangen ist; solange der Erblasser noch im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, ist das Grundbuch insoweit unrichtig.
Rz. 56
Die Übertragung des Grundstücks auf den Vermächtnisnehmer kann sich aus den verschiedensten Gründen verzögern, bspw. allein dadurch, dass die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung wegen der Grunderwerbsteuer auf sich warten lässt. Die Erben könnten in der Zwischenzeit an einen Dritten veräußern, sie sind rechtmäßige Eigentümer; auf einen etwaigen guten Glauben des Dritten käme es gar nicht an. Möglich wären aber auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Grundstück, die die Übertragung auf den Vermächtnisnehmer gefährden könnten.
Rz. 57
Und nicht zuletzt könnten die Erben wegen Überschuldung des Nachlasses – ob schon beim Erbfall eingetreten oder erst später, ist gleichgültig – eine Haftungsbeschränkung herbeiführen, die ebenfalls die Übertragung des Grundstücks auf den Vermächtnisnehmer gefährden würde.
Rz. 58
Gegen all dies kann die Eintragung einer Vormerkung sichern, § 883 BGB. Und nach Eintragung einer Vormerkung kann sich auch der Erbe nicht mehr auf die Beschränkung seiner Haftung berufen, § 884 BGB. Im Hinblick auf etwa drohende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das zu übertragende Grundstück ist auf eine frühzeitige Sicherung des Anspruchs mit guter Rangstelle der Vormerkung im Grundbuch zu achten; es könnte andernfalls der Ausfall des Vormerkungsgläubigers in einer etwaigen Zwangsversteigerung drohen. Nicht unzweifelhaft ist, ob eine Eigentumsübertragungsvormerkung rangfähig i.S.v. §§ 879 ff. BGB ist. Von der h.M. wird die Rangfähigkeit jedoch bejaht.
Allerdings ist streitig, ob § 884 BGB auch für solche Vormerkungen gilt, die erst nach dem Erbfall entstanden sind. Das Schrifttum ist sich weitgehend darin einig, dass § 884 BGB dann angewandt werden muss, wenn eine Vormerkung zwar erst nach dem Erbfall, aber aufgrund einer Bewilligung des Erblassers eingetragen worden ist.
Wenn die Vormerkung für eine Nachlassverbindlichkeit erst vom Erben bewilligt worden ist, erübrigt sich nach h.M. die Heranziehung des § 884 BGB, weil dem Erben ohnehin schon aus einem anderen Grunde die Berufung auf die Haftungsbeschränkung versagt ist. In der Vormerkungsbewilligung muss nämlich ein konkludenter Verzicht auf die Haftungsbeschränkung gesehen werden.
Rz. 59
Auch wenn der Erblasser im Testament nichts dazu gesagt hat, dass zugunsten des Vermächtnisnehmers eine Eigentumsübertragungsvormerkung eingetragen werden soll, geht das OLG Hamm davon aus, die Bewilligung einer Vormerkung sei eine gesetzliche Nebenpflicht und deshalb mit dem Vermächtnis eines Auflassungsanspruchs der Anspruch auf Bewilligung einer Vormerkung verbunden, solange sich aus dem Testament nichts anderes ergebe. Für den BGH kommt es – wenn der Anspruch nicht durch Arrest oder einstweilige Verfügung gesichert wird – für den Anspruch auf Bewilligung der Vormerkung darauf an, ob dem Bedachten – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – eine solche Sicherung im Testament zugewendet worden ist. Diese Frage ist gerade im Hinblick auf die Vorschrift des § 884 BGB über die unbeschränkbare Haftung des Erben gegenüber dem Vormerkungsberechtigten von erheblicher praktischer Bedeutung.
Rz. 60
Die Eintragung erfolgt aufgrund einer Bewilligung des Vermächtnisbelasteten, i.d.R. des Erben, oder aufgrund einer einstweiligen Verfügung, § 883 BGB, § 19 GBO. Wollte der Rechtsanwalt als Vertreter des Vermächtnisbelasteten die Eintragung der Vormerkung bewilligen, so bedürfte er der notariell beglaubigten Vollmacht, §§ 29, 30 GBO. Den Eintragungsantrag kann entweder der Vermächtnisbelastete oder der Vermächtnisnehmer stellen, § 13 GBO. Der den Antragsteller vertretende Rechtsanwalt bedarf für den Antrag lediglich schriftlicher Vollmacht, § 30 GBO. Einer Voreintragung des Vermächtnisbelasteten als Eigentümer im Grundbuch bedarf es nicht, § 40 GBO. Der Antragsteller haftet aber auch für die Eintragungsgebühren beim Grundbuchamt gem. § 22 Abs. 1 GNotKG.
Rz. 61
Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung bedarf es nicht der Glaubhaftmachung der Dringlichkeit (Verfügungsgrund, § 885 Abs. 1 S. 2 BGB), weil ein Rechtsverlust – hier das auf dem Vermächtnisanspruch beruhende Forderungsrecht – jederzeit droht, denn im Falle des Vermächtnisses ist der im Grundbuch eingetragene Erbe rechtmäßiger Eigentümer, er schuldet lediglich die Übertragung des Grundstücks. Veräußert der Erbe an einen Dritten, so ist dies keine Frage des gutgläubigen Erwerbs, weil der veräußernde Erbe rechtmäßiger Eigentümer ist. Er haftet dem Vermächtnisnehmer gegenüber allenfalls aus § 280 BGB – Pflichtverletzung. Eine Haftung des erwerbenden Dritten aus § 816 BGB oder § 822 BGB kommt nicht in Betracht.
Für ...