a) Allgemeines
Rz. 24
Seit 1.1.2010 gilt auch für Vermächtnisansprüche die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Die Regelung gilt für alle Erbfälle, die seit dem 1.1.2010 eingetreten sind. Für Grundstücksvermächtnisse gilt allerdings eine zehnjährige Verjährungsfrist, § 196 BGB.
b) Verjährungshemmung
Rz. 25
Mit der Hemmung wird die Verjährungsfrist, die zu laufen begonnen hat, angehalten; sie läuft erst später weiter, § 209 BGB.
Andere Fälle sieht das Gesetz vor, die zu einem Neubeginn des Fristlaufs führen.
c) Hemmungstatbestände
Rz. 26
Die Hemmungstatbestände werden in § 204 Abs. 1 BGB aufgeführt.
Hier die für die Praxis wichtigsten:
▪ |
Nr. 1: Klageerhebung: Hemmung beginnt mit Klageeinreichung, wenn Zustellung demnächst erfolgt, § 167 ZPO. |
▪ |
Nr. 6: Streitverkündung: Hemmung beginnt mit Einreichung des Schriftsatzes, wenn Zustellung demnächst erfolgt, § 167 ZPO. |
▪ |
Nr. 7: Selbständiges Beweisverfahren: Hemmung beginnt mit Einreichung des Antrags, wenn Zustellung demnächst erfolgt, § 167 ZPO. |
▪ |
Nr. 8: Vereinbartes Begutachtungsverfahren Empfehlung: In der Vereinbarung Anfang und/oder Ende der Hemmung festlegen. |
▪ |
Nr. 9: Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Arrest, einstweilige Verfügung) |
▪ |
Nr. 11: Beginn des Schiedsverfahrens |
▪ |
Nr. 14: Erstmaliger PKH-Antrag. |
d) Ablaufhemmung
Rz. 27
Nicht nur für die Dauer der in § 204 Abs. 1 BGB genannten jeweiligen Verfahren wird die Verjährung gehemmt, vielmehr endet sie gem. § 204 Abs. 2 S. 1 BGB erst sechs Monate nach rechtskräftiger Entscheidung oder anderweitiger Beendigung des eingeleiteten Verfahrens.
e) Auslaufen der Hemmung durch Stillstand des Verfahrens
Rz. 28
Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so endet die Hemmung sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung; sie beginnt dann erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt, § 204 Abs. 2 S. 2, 3 BGB:
▪ |
Bei Stillstand: An die Stelle des Abschlusses des Verfahrens tritt die letzte Verfahrenshandlung der Parteien. |
▪ |
Stillstand ist zu bejahen, wenn die Parteien das Verfahren nicht betreiben.
▪ |
aber: kein Stillstand, wenn das Gericht nicht betreibt, |
▪ |
und: kein Stillstand bei langer Dauer eines Sachverständigengutachtens. |
|
f) Hemmung bei Verhandlungen
Rz. 29
Verhandlungen sollen nicht unter dem Druck einer drohenden Verjährung stehen, deshalb sieht § 203 S. 1 BGB hier einen Hemmungstatbestand vor.
g) Ablaufhemmung bei nicht voll geschäftsfähigen Personen
Rz. 30
Der praktisch wichtigste Fall ist der Anspruch minderjähriger Kinder gegen einen Elternteil. Hier endet nach § 210 Abs. 1 BGB die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit des minderjährigen Vermächtnisnehmers bzw. nach Behebung des Vertretungsmangels. Das Besondere an § 210 Abs. 1 BGB ist, dass die Ablaufhemmung auch für die Fälle gilt, dass der Schuldner nicht voll geschäftsfähig ist.
h) Verjährungsbeginn
Rz. 31
Die Verjährungsfrist ist für die seit 1.1.2010 eingetretenen Erbfälle den allgemeinen Vorschriften als subjektive Verjährung auf das Jahresende angepasst worden.
i) Neubeginn der Verjährung
Rz. 32
Nur in zwei Fällen kennt das Gesetz den Neubeginn der Verjährung, § 212 BGB:
1. bei Anerkennung des Anspruchs durch
▪ |
Abschlagszahlung, |
▪ |
Zinszahlung, |
▪ |
Sicherheitsleistung oder |
▪ |
in anderer Weise, |
2. wenn eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.
j) Verlängerung von Verjährungsfristen
Rz. 33
Es besteht aber die Möglichkeit, gesetzliche Verjährungsfristen durch vertragliche Vereinbarung auf der Grundlage allgemeiner Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB) zu verlängern oder zu verkürzen, § 202 BGB. Möglich ist auch die Vereinbarung der Hemmung oder des Neubeginns der Verjährung. § 202 Abs. 1 BGB beschränkt die Vertragsfreiheit lediglich insofern, als keine Verjährungserleichterung für Vorsatzhaftung vor Entstehung des Anspruchs vereinbart werden kann. § 202 Abs. 2 BGB verbietet eine Verjährungsverlängerung über 30 Jahre hinaus. Für das Erbrecht bedeutet dies, dass außer der Fristverlängerung oder -verkürzung durch freie Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner eines erbrechtlichen Anspruchs auch der Erblasser im Wege des Vermächtnisses oder der Auflage dem Schuldner eines Anspruchs auferlegen kann, mit dem Gläubiger eine Verlängerung der Verjährungsfrist zu vereinbaren oder dem Gläubiger eines Anspruchs, eine Verkürzung der Verjährungsfrist mit dem Schuldner zu vereinbaren. Die Verjährungsabrede ist grundsätzlich nicht an eine Form gebunden.
Denkbar wäre bspw. die Vereinbarung in einem gerichtlichen Protokoll oder in Schriftsätzen.
Formulierungsbeispiel
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Verjährung der klägerischen Ansprüche bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens gehemmt sein soll.