Rz. 113
Hat der Erbe außer dem Vermächtnis auch einen Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, so kann er nach § 2318 Abs. 1 BGB das Vermächtnis in der Weise kürzen (Erfüllungsverweigerung), dass Erbe und Vermächtnisnehmer die Pflichtteilslast im Verhältnis ihres jeweiligen Erwerbs tragen.
Rz. 114
Dieses Kürzungsrecht setzt nach wohl h.M. aber voraus, dass der Erbe von dem Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen wird, was eine wirtschaftlich den Erben treffende Inanspruchnahme erfordert. Die bloße Ankündigung der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs beinhaltet aber noch keine den Erben wirtschaftlich treffende Inanspruchnahme.
Rz. 115
Das Kürzungsrecht steht im Falle der Anordnung eines Untervermächtnisses nach § 2188 BGB auch dem mit dem Untervermächtnis belasteten Hauptvermächtnisnehmer zu. Allerdings kann der Erblasser sowohl das Kürzungsrecht des Erben als auch das des Hauptvermächtnisnehmers durch Verfügung von Todes wegen modifizieren und damit auch völlig ausschließen, §§ 2324, 2188 BGB.
Rz. 116
Besteht der Vermächtnisanspruch in einer teilbaren Leistung, so ist die Durchführung der Kürzung problemlos. Handelt es sich bei dem Vermächtnis jedoch um einen unteilbaren Gegenstand, bspw. Grundstück, Nießbrauch, Wohnungsrecht, so kann der Vermächtnisschuldner bei Geltendmachung des Vermächtnisses im Gegenzug den Kürzungsbetrag verlangen. Für den Prozess heißt dies, dass der Vermächtnisnehmer nur Erfüllung Zug um Zug gegen Zahlung des Kürzungsbetrages verlangen kann.
Rz. 117
Lehnt der Vermächtnisnehmer die Zahlung des Kürzungsbetrages ab, so ist der Vermächtnisschuldner berechtigt, dem Vermächtnisnehmer den Wert des Vermächtnisses unter Abzug des Kürzungsbetrages auszuzahlen.
Rz. 118
Ist der Vermächtnisgegenstand keine Geldforderung, so stellen sich auch hier Bewertungsfragen wie bei § 2311 BGB. Maßgebender Stichtag für die Bewertung des Vermächtnisgegenstandes ist hier allerdings die Erfüllung des Vermächtnisses, dh im Prozess der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung.
Rz. 119
Beschränkungen des Kürzungsrechts: Abgesehen von den vom Erblasser selbst angeordneten Abweichungen von den gesetzlichen Regeln der Vermächtniskürzung nach §§ 2324, 2188 BGB darf dem selbst pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer gegenüber der Vermächtnisanspruch nach § 2318 Abs. 2 BGB nur insoweit gekürzt werden, dass ihm selbst der Pflichtteil verbleibt. Diese Vorschrift ist vom Erblasser nicht abänderbar, weil sich § 2324 BGB nur auf Abs. 1 von § 2318 BGB bezieht und der Erblasser andernfalls in das Pflichtteilsrecht des Vermächtnisnehmers eingreifen würde.
Rz. 120
Ist im Falle der Zugewinngemeinschaft der überlebende Ehegatte der Vermächtnisnehmer, so richtet sich die Grenze der Kürzungsmöglichkeit nach dem sog. großen Pflichtteil, was wiederum Auswirkungen auf die Höhe der Pflichtteilsquoten der anderen Pflichtteilsberechtigten hat.
Ist der pflichtteils- und vermächtnisbelastete Erbe seinerseits selbst pflichtteilsberechtigt, so muss er grundsätzlich auch unter Verletzung seines eigenen Pflichtteils das Vermächtnis erfüllen, denn § 2318 Abs. 3 BGB gilt grundsätzlich nur im Verhältnis zu anderen Pflichtteilsberechtigten.
Vgl. dazu BGH in BGHZ 95, 222 (zu § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.):
Zitat
"a) § 2318 Abs. 3 BGB wirkt nicht nur zugunsten des pflichtteilsberechtigten Alleinerben, sondern kann auch bei einer Erbenmehrheit eingreifen."
b) Schlägt der Erbe in einem Fall des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB nicht aus, dann muß er die ihn beschwerenden Vermächtnisse und Auflagen grundsätzlich auch auf Kosten seines eigenen Pflichtteils voll tragen. Treten daneben auch noch Pflichtteilslasten auf, dann kann er die Vermächtnisse und Auflagen um den Betrag kürzen, um den die Pflichtteilslasten seinen eigenen Pflichtteil anderenfalls (zusätzlich) beeinträchtigen würden.“
Dies gilt nunmehr für die seit 1.1.2010 eingetretenen Erbfälle in besonderem Maße, denn Vermächtnisse und Auflagen sind auch dann wirksam angeordnet, wenn das dem pflichtteilsberechtigten Erben Hinterlassene kleiner oder gleich groß wie der Pflichtteil ist.
Rz. 121
Wer trägt das Vermächtnis und den Pflichtteil des Ausschlagenden?
Hat der pflichtteilsberechtigte Erbe die Erbschaft ausgeschlagen, so werden die angeordneten Beschränkungen und Beschwerungen nach der gesetzlichen Vermutung keineswegs unwirksam, sondern treffen den an die Stelle des Ausschlagenden tretenden Ersatzerben (§§ 2161, 2192 BGB).
Ersatzerbe wird derjenige, dem die Erbschaft angefallen wäre, wenn der Ausschlagende vor dem Erbfall weggefallen wäre, diesen Zeitpunkt also gar nicht erlebt hätte (§ 1953 BGB). Den Ersatzerben trifft nunmehr die Verpflichtung, den Pflichtteil des Ausschlagenden zu zahlen, die sog. Pflichtteilslast (§ 2320 BGB – Abs. 1 gesetzlicher Ersatzerbe, Abs. 2 testamentarischer Ersatzerbe).
Er kann aber eventuell das Vermächtnis oder die Auflage wegen der ihn treffenden Pflichtteilslast kürzen (§ 2322 BGB).
Rz. 122
Hat der mit einem Vermächtnis beschwerte pflichtteilsberechti...