I. Mehrmonatiges Fahrverbot
Rz. 99
Gerade bei einem mehrmonatigen Fahrverbot gewinnt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erheblich an Gewicht, so dass in geeigneten Fällen aus Rücksicht auf die beruflichen Belange, vor allem im Falle einer Existenzgefährdung (AG Neustadt zfs 2005, 417) das Fahrverbot – ggf. unter Erhöhung der Regelbuße – zumindest zu verkürzen ist (OLG Zweibrücken DAR 2003, 531; BayObLG zfs 2004, 91; Thüringer OLG zfs 2005, 415).
Bei der Herabsetzung eines mehrmonatigen Fahrverbotes gilt ohnehin nicht die gleiche Strenge, wie bei einem völligen Absehen vom Fahrverbot (OLG Thüringen zfs 2005, 415; zfs 2006, 475), wenn auch hier dem Richter kein freies Ermessen zusteht und er das Urteil eingehend und mit Tatsachen belegt begründen muss (OLG Bamberg DAR 2014, 332; OLG Bamberg zfs 2014, 471); u.U. genügt aber bereits die mit beruflichen Umständen zusammenhängende besondere Sanktionsempfindlichkeit des Täters (OLG Bamberg NZV 2007, 213).
II. Eingeschränktes Fahrverbot
Rz. 100
Das Fahrverbot kann ebenso wie der Entzug der Fahrerlaubnis auf bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen beschränkt werden (OLG Karlsruhe NZV 2004, 653; zfs 2005, 101; Thüringer OLG zfs 2007, 412; OLG Düsseldorf VRS 113, 422; AG Lüdinghausen DAR 2014, 217). Die BKatV enthält nämlich keine Vorschrift, die die Verhängung eines Fahrverbots für alle Fahrzeugarten vorschreibt und ein eingeschränktes Fahrverbot stellt schließlich auch kein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes dar. Deshalb können vom Fahrverbot ausgenommen werden z.B. ein Leichenwagen (OLG Naumburg DAR 2003, 573), ein Krankenwagen (OLG Bamberg DAR 2018, 91), ein Geldtransporter (AG Lüdinghausen NZV 2005, 593), Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr oder Krankenwagen (OLG Düsseldorf NZV 2008, 104), Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht ab 2,8 t (OLG Düsseldorf DAR 1996, 92; AG Dortmund zfs 2018, 531), landwirtschaftliche Fahrzeuge (OLG Düsseldorf zfs 1994, 466), aber auch Krafträder (OLG Bamberg DAR 2008, 33), nicht jedoch ein konkretes Fahrzeug oder bestimmte Fahrzeiten (BayObLG NZV 2005, 592). Nach Auffassung des AG Lüdinghausen (DAR 2013, 403) soll das Fahrverbot jedoch auf Fahrzeuge mit einer bestimmten maximalen PS-Drehzahl beschränkt werden können.
Bei Drogen- oder Alkoholordnungswidrigkeiten ist dagegen eine Ausnahme nur unter ganz besonderen Umständen und schon gar nicht im Falle einer Wiederholungstat möglich (OLG Hamm NZV 2001, 486; OLG Bamberg DAR 2009, 39).
Dennoch verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer die Prüfung, ob nicht ein eingeschränktes Fahrverbot ausreicht (BayObLG zfs 1991, 108; OLG Bamberg zfs 2006, 533; OLG Düsseldorf NZV 2008, 104).
Achtung: Nur mit Ersatzführerschein?
Streitig ist, ob der Betroffene, wie dies eine im Vordringen befindliche Meinung vertritt, mit der ausgenommenen Fahrzeugart nur fahren darf, wenn er sich zuvor einen entsprechenden Ersatzführerschein hat ausstellen lassen. Dem kann meiner Auffassung nach deshalb nicht gefolgt werden, weil die Erlaubnis zum Führen von Fahrzeugen nicht insgesamt entzogen wurde, sondern für die ausgenommene Fahrzeugart unabhängig von der Ausstellung eines solchen Dokumentes weiter besteht. Deshalb muss die Vorlage der entsprechenden gerichtlichen Entscheidung genügen, andernfalls kann nur der Verwarnungstatbestand des "Fahrens ohne Mitführen des Führerscheins" erfüllt sein.
III. Bis an die Grenze des Vertretbaren zu akzeptieren
Rz. 101
Bereits bei der Frage, ob überhaupt ein Fahrverbot zu verhängen ist, muss das Revisionsgericht die Entscheidung des Amtsrichters bis zur Grenze des Vertretbaren respektieren. Das gilt erst recht, wenn es lediglich um die Herabsetzung eines mehrmonatigen Fahrverbotes geht (Thüringer OLG zfs 2006, 475; OLG Köln zfs 2007, 173). Allerdings bedarf das Absehen von einem Regelfahrverbot einer besonders eingehenden und mit Tatsachen belegten Begründung (OLG Hamm DAR 2012, 477), was grundsätzlich auch gilt, wenn es lediglich um die Reduzierung eines mehrmonatigen Fahrverbots geht (OLG Bamberg DAR 2014, 332).