Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Das Amtsgericht hat meine Mandantin entsprechend des Anklagevorwurfs wegen Gefährdung des Straßenverkehrs durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Nichtbeachten der Vorfahrt zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt. Das Landgericht hat die Berufung meiner Mandantin verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision.
Das Landgericht hat festgestellt:
Meine Mandantin befuhr mit ihrem Pkw in von einer in eine Hauptstraße einmündende Nebenstraße mit einer Spur je Fahrtrichtung deren letzten Abschnitt zu der Hauptstraße hin. Auf dem letzten Teil vor der Einmündung war auf der zu der Hauptstraße hinführenden Fahrbahnseite eine Baustelle angelegt. Deswegen war dort das Befahren der Nebenstraße aufgrund Anordnung des zuständigen Tiefbauamts nur auf einer Spur und in eine Richtung erlaubt, nämlich für den aus der Hauptstraße einfahrenden Verkehr. Für den Verkehr in Richtung Hauptstraße war vor der Baustelle gemäß behördlicher Anordnung das Verkehrszeichen 267 (Verbot der Einfahrt) aufgestellt, an der mit der letzten Querstraße davor gebildeten Kreuzung befand sich das Verkehrszeichen 357 (Sackgasse). Zur tatrelevanten Zeit, am späten Nachmittag des 27.11.2001, war das Zeichen 267 – ebenso das Zeichen 357 – gut erkennbar aufgestellt. Meine Mandantin soll die Baustelle gekannt und gewusst haben, dass die Durchfahrt zu der Hauptstraße grundsätzlich durch das Verkehrszeichen 267 gesperrt ist, das Befahren der Gegenrichtung indes erlaubt war und das Verkehrszeichen dennoch passiert haben, ohne darauf zu achten. Es soll ihr insofern gleichgültig gewesen sein, als sie entschlossen war, ohnehin – unabhängig von seinem Vorhandensein – dort durchzufahren und sich so den sonst erforderlichen Umweg zu ersparen und schneller voranzukommen. In dem Engpass sei ihr, aus der Hauptstraße mit angemessener Geschwindigkeit einbiegend, die Zeugin auf ihrem Damenfahrrad mit eingeschalteter Beleuchtung entgegengekommen. Gleichwohl habe sie ihre Fahrt zunächst unbeirrt fortgesetzt. Sie erwartete, dass die Radfahrerin ausweichen würde. Da es dieser aber nicht mehr gelungen sei, ohne ein auf dem welligen Straßenbelag – die Asphaltierung war provisorisch – gefährliches Ausweichmanöver seitlich an dem Pkw meiner Mandantin vorbeizufahren, hätten die Radfahrerin und meine Mandantin im letzten Moment eine Vollbremsung durchgeführt. Die Fahrzeuge seien in einem Abstand von lediglich noch etwa einem halben Meter voneinander zum Stehen gekommen.
Diese Feststellungen vermögen die Verurteilung meiner Mandantin wegen Gefährdung des Straßenverkehrs durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Nichtbeachten der Vorfahrt (§ 315c Abs. 1 Nr. 2a) StGB) nicht zu tragen.
Ein Vorfahrtfall ist immer dann gegeben, wenn im öffentlichen Straßenverkehr die Fahrlinien zweier Fahrzeuge (bei unveränderter Fahrweise) zusammentreffen oder gefährlich nahekommen (BGHSt 11, 219). Dazu gehören alle Fälle, in denen eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift einem Verkehrsteilnehmer den Fahrtvorrang einräumt (sog. erweiterter Vorfahrtbegriff; BGH, Beschl. v. 20.1.2009 – 4 StR 396/08 – juris).
Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Es hat eine Verkehrssituation bestanden, die nach dem erkennbaren und zu respektierenden Verständnis des Gesetzgebers von der Reichweite der von ihm aufgestellten Normen der Bestrafung als Vorfahrtverletzung nach der genannten Strafbestimmung nicht zugänglich ist. Für Überlegungen, ob in dem vorliegenden Fall des auf Seiten meiner Mandantin festgestellten Befahrens eines wegen baustellenbedingter Enge als Einbahnstraße ausgeschilderten Abschnitts einer städtischen Nebenstraße in entgegengesetzter Fahrtrichtung eine entsprechende oder entsprechend zu behandelnde Situation vorgelegen hat, ist kein Raum. Es steht entgegen, dass der Gesetzgeber durch eine Ergänzung des § 315c Abs. 1 Nr. 2f) StGB das Fahren entgegen der Fahrtrichtung auf Autobahnen oder Kraftfahrtstraßen nachträglich eigens unter Strafe gestellt hat (KG Berl...