Rz. 8
Eine Pflichtverletzung liegt in jeglichem Verstoß des Nachlasspflegers gegen das Gebot zur treuen und gewissenhaften Führung der Pflegschaft (§ 1789 BGB), insbesondere die Vermögensinteressen der Erben zu wahren. Anknüpfungspunkt kann ein Tun oder Unterlassen sein, in der Abgabe oder Unterlassung einer Willenserklärung liegen oder in der Vornahme oder Nichtvornahme beliebiger Rechtshandlungen oder Realakte. Nicht nötig ist, dass der Nachlasspfleger gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Anordnung des Nachlassgerichts verstößt.
Rz. 9
Der Nachlasspfleger kann aber nur solche Pflichten verletzen, die zu seinem durch die Bestellung konkretisierten Wirkungskreis gehören. Ist der Wirkungskreis der Pflegschaft beschränkt, können Pflichtwidrigkeiten auch immer nur in diesem begrenzten Rahmen vorliegen. Insofern ist es geboten, rechtlich bestehende Beschränkungen als ausdrückliche Begrenzung des Wirkungskreises in den Bestellungsbeschluss und die -urkunde mit aufzunehmen. Dies gilt für den Fall der Nachlassspaltung bei Immobiliarvermögen im Ausland oder dem Vorhandensein bilateraler Staatsverträge, die bindende Regelungen zur Nachlasssicherung und über diesbezügliche Mitteilungspflichten normieren. Hierbei handelt es sich insbesondere um Befugnisse des jeweiligen Konsuls desjenigen Staates, dem der ausländische Erblasser angehört (so insbesondere die Abkommen mit Spanien, Kolumbien, den USA, dem Iran, der Türkei, Irland, Siam (jetzt Thailand), dem Vereinigten Königreich und der Sowjetunion (jetzt Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldau, Russische Förderation, Tadschikistan, Ukraine bzw. Usbekistan).
Rz. 10
Neben dieser sachlichen Begrenzung, ist die Haftung auch zeitlich begrenzt: Die Haftung beginnt mit der mündlichen Verpflichtung des Nachlasspflegers (§ 1779 BGB), nicht schon mit dem Zugang des Bestellungsbeschlusses. Pflichtverletzungen nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft sind nicht nach § 1833 Abs. 1 S. 1 BGB zu beurteilen, sondern nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, es sei denn es handelt sich um Pflichten, die erst nach Beendigung der Pflegschaft zu erfüllen sind, wie z.B. Rechnungslegung oder Herausgabe des Nachlasses) oder Notmaßnahmen nach §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1 S. 1, 1893 Abs. 1, 1698b BGB, die keinen Aufschub dulden, wie z.B. Entgegennahme von Geldern und deren (kurzfristige) Anlage oder die Begleichung von Sachversicherungsprämien zum Erhalt des Versicherungsschutzes.
Rz. 11
Bei der Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, ist weiter zu berücksichtigen, dass dem Nachlasspfleger bei seiner Tätigkeit ein großer Ermessensspielraum zukommt. Eine Pflichtwidrigkeit begeht er – wie der Vormund nach § 1837 BGB – daher erst dann, wenn er den ihm gegebenen Ermessensspielraum überschreitet, missbraucht oder nicht ausübt, es sei denn, er verstößt gegen ein zwingendes gesetzliches Ge- oder Verbot. Insofern sind auch die für die Entscheidungsfindung des Nachlasspflegers im Einzelfall maßgebenden Umstände abzuwägen.
Beispiele für Pflichtverletzungen des Nachlasspflegers sind vielfältig. Besonders schadensträchtige Bereiche ("Sieben Todsünden des Nachlasspfleger") werden später ausführlich beschrieben (siehe Rdn 36 ff.).