Rz. 29
Begehen Fahrer ausländischer Fahrzeuge Verkehrsordnungswidrigkeiten im Inland, so setzt eine effektive Verfolgung voraus, dass die ausländischen Halterdaten ermittelt werden können. Dies gilt vor allem für die hohe Zahl an Parkverstößen, die mit Verwarngeldern geahndet werden sollen. So sind 2014 in der Landeshauptstadt Saarbrücken mehr als 17.000 Fälle von Parkverstößen durch Fahrzeuge mit französischem Kennzeichen registriert worden, wobei die dabei angefallenen Verwarnungs- und Bußgelder 277.000 EUR betrugen. In einem solchen Fall wird von der Behörde zur effektiven Verfolgung derart massenhaft auftretender Bagatellfälle die automatisierte Halterdatenabfrage aus dem französischen Fahrzeugregister angestrebt.
1. Richtlinie EU 2015/413
Rz. 30
Art. 4 RL 2015/413/EU erfasst grenzüberschreitende automatisierte Halterdatenabfragen zur Verfolgung von Parkverstößen tatbestandlich gerade nicht.
2. Einzelfall Frankreich
Rz. 31
Nach Giegerich soll es, obwohl der eigentlich grenzüberschreitenden Austausch von Informationen über Verkehrsdelikte regelnde Art. 4 RL 2015/413/EU grenzüberschreitende automatisierte Halterdatenabfragen zur Verfolgung von Parkverstößen gerade nicht erfasst, bei der Rechtslage aufgrund des Ratsbeschlusses 2008/615/JI bleiben:
Zitat
"Die automatisierte Einzelabfrage von Halterdaten durch die zuständigen deutschen Behörden aus französischen Fahrzeugregistern zwecks Ahndung von Parkverstößen durch Fahrzeuge mit französischem Kennzeichen im Saarland ist auf der Grundlage und in den Grenzen von Art. 12 Abs. 1 des Ratsbeschlusses 2008/615/JI i.V.m. dem durch Bundesgesetz vom 31.7.2009 eingefügten § 1 des Ausführungsgesetzes zum Prümer Vertrag rechtlich zulässig. Diese Vorschriften bilden eine ausreichende parlamentsgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in die deutschen und europäischen Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Privatsphäre der betroffenen Personen. Der Datenschutz ist in hinreichendem Maße gewährleistet. Die RL EU 2015/413 hat diese zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits legal bestehende und praktizierte Abfragemöglichkeit nicht verboten."
Rz. 32
Das ist keineswegs unstreitig. Nach Erlass der RL 2015/413/EU wollen das KBA und das Bundesverkehrsministerium den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen über Verkehrsdelikte allein auf diese RL stützen. Grenzüberschreitende automatisierte Halterabfragen zur Verfolgung bloßer Parkverstöße seien danach nur auf der Grundlage besonderer bilateraler Vereinbarungen zulässig. Für Giegerichs Auffassung spricht, dass die RL 2015/413/EU mehrfach auf, allerdings überwiegend technische Details des Ratsbeschlusses 2008/616/JI sowie auf die "in Ermangelung geeigneter Verfahren und ungeachtet der mit dem Beschluss 2008/615/JI des Rates und mit dem Beschluss 2008/616/JI des Rates (im Folgenden "Prüm-Beschlüsse") gebotenen Möglichkeiten", verweist. Die Prümer Beschlüsse sollten danach nicht etwa aufgehoben, sondern durch ihre mehrfache ausdrückliche In-Bezug-Nahme gerade nicht beseitigt werden.