Rz. 8
Immobilienmarktwertermittlungen sind also vor allem ein ökonomisches und weniger ein juristisches Problem, zumal überhaupt viele Praxisfälle allenfalls mittelbar in den Anwendungsbereich einschlägiger Normen fallen – von der Legaldefinition bestimmter Bewertungsgrundlagen abgesehen – und der Einhaltung von einschlägigen Qualitätsstandards in der Wertermittlungspraxis eine mindestens ebenso große praktische Bedeutung beigemessen werden sollte wie den Normen zu den Wertermittlungsverfahren.
Rz. 9
Ferner sind in der Immobilienbewertung eine Reihe technischer Regeln, insbesondere Normen zur Flächenermittlung von erheblicher Relevanz, die u.a. von maßgeblichen privaten Organisationen wie z.B. dem Deutschen Institut für Normung e.V. oder der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) veröffentlicht und in unregelmäßigen Abständen geändert werden.
Abgesehen von spezifischen Bereichen des Bauplanungsrechts und des sozialen Wohnungsbaus mangelt es an einheitlichen (Legal-)Definitionen, und somit sind die in der Praxis verwendeten Flächenbegriffe grundsätzlich auslegungsbedürftig, zumal der allgemeine Sprachgebrauch mit bestimmten Begriffen wie z.B. "Wohnfläche" oder "Nutzfläche" i.d.R. keine bestimmte Art der Berechnung verbindet.
Wird beim Maß der baulichen Nutzung auf das Verhältnis der Flächen der Geschosse zur Grundstücksfläche abgestellt, beziehen sich Bodenrichtwerte u.U. abweichend von den planungsrechtlichen Vorschriften auf die sog. wertrelevante Geschossflächenzahl (WGFZ, § 16 Abs. 4 ImmoWertV).
Rz. 10
Berufsständische Standards für eine professionelle und gewissenhafte Durchführung von Immobilienwertermittlungen mit Verantwortungsbewusstsein für Auftraggeber und Märkte werden von Kammern, Zertifizierungsstellen bzw. Berufsverbänden verabschiedet und binden naturgemäß grundsätzlich nur die Mitglieder der jeweiligen Institution. Sie umfassen häufig sowohl verbindliche Grundsätze und Regeln als auch unverbindliche Praxisempfehlungen zur Auftragsanbahnung, Durchführung und der Erstattung von Gutachten sowie hinsichtlich Qualifikation, Ethik und Verhalten von Immobiliensachverständigen.
Konkrete Methoden zur Wertermittlung ergeben sich aus solchen Standards praktisch nicht. Die Auswahl und spezifische Anwendung eines geeigneten Wertermittlungsverfahrens obliegen dem professionellen Urteilsvermögen des Sachverständigen.
Rz. 11
Demgegenüber hat – anders als in anderen Ländern – der deutsche Gesetzgeber mit dem BauGB nicht nur eine Legaldefinition des Verkehrswertes (Marktwert) erlassen (§ 194 BauGB), sondern die Regierung auch ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates Grundsätze für die Wertermittlung und die anzuwendenden Verfahren zu erlassen (§ 199 Abs. 1 BauGB), welche mit der ImmoWertV (Rechtsverordnung) normiert und im Übrigen bis vor kurzem in bundesministeriellen Wertermittlungsrichtlinien (Verwaltungsvorschriften), die keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen, erläutert und ergänzt wurden.
Rz. 12
Mit der Novellierung der ImmoWertV, die am 1.1.2022 in Kraft getreten ist, wurden die materiellen Bewertungsvorgaben der aufgehobenen Richtlinien geschärft und in die Verordnung aufgenommen, um ihnen eine höhere Verbindlichkeit für die Anwender der Verordnung zu verleihen und somit eine bundesweite Einheitlichkeit herzustellen.
Ergänzend zur Verordnung soll es nunmehr nur noch die Muster-Anwendungshinweise zur ImmoWertV (ImmoWertA) geben, die keinen Regelungscharakter haben, aber zum Verständnis beitragen sollen. Sie sollen im Herbst 2023 von der entsprechenden Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz beschlossen werden.
Rz. 13
Um der Novellierung der ImmoWertV Rechnung zu tragen und im Steuerrecht eine zumindest verkehrswertnahe Bewertung von Grundvermögen nach den Vorgaben des BVerfG sicherzustellen, wurde zuletzt mit dem Art. 19 JStG 2022 die Anwendung der von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 bis 199 BauGB ermittelten Bodenrichtwerte und sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Modellkonformität neu geregelt.
Rz. 14
Trotz einer zunehmenden Verzahnung – bei Fortbestehen einiger terminologischer Unterschiede – muss nach wie vor zwischen der steuerlichen Bewertung nach dem BewG und der städtebaurechtlichen Wertermittlung nach der ImmoWertV unterschieden werden.
Erstere dient vornehmlich der Massenbewertung und basiert weiterhin auf Vereinfachungen und mitunter typisierenden Bewertungsparametern; letztere trägt den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung und ist i.d.R. auch im Zivilrecht einschließlich des materiellen Erbrechts maßgeblich.
Rz. 15
Wenngleich die Anwendung der ImmoWertV rein formal nur für die Wertermittlungen durch die gemäß den §§ 192 ff. BauGB eingerichteten Gutachterausschüsse für Grundstückswerte und die diesen obliegenden Ableitungen erforderlicher Daten für die Wertermittlung vorgeschrieben ist, ohne bspw. für Kaufleute, freie Sachverständige oder Gerichte verbindlich zu s...