Rz. 69
Bei Immobilien, die nach den Gepflogenheiten des Marktes nicht zur Ertragserzielung gekauft werden und bei denen sich die Marktteilnehmer nicht an geeigneten Vergleichspreisen orientieren können, wird modellhaft angenommen, dass sich die Preisbildung an den Herstellungskosten orientiert, die der Käufer sich spart, wenn er das Wertermittlungsobjekt kauft, anstatt ein entsprechendes Objekt selbst zu errichten. Selbstverständlich ist bei diesem Kostenvergleich zu berücksichtigen, dass ein älteres Objekt gegenüber einem Neubau normalerweise einen altersbedingt geminderten Wert hat oder anders gesagt, die künftige Nutzenstiftung bei einem jüngeren Objekt erwartungsgemäß über eine längere wirtschaftliche Restnutzungsdauer anhalten wird.
Rz. 70
Der Sachwert der baulichen Anlagen wird mittels typisierten Kostenkennwerten (einschließlich Baunebenkosten) und Baupreisindexreihen für den Wertermittlungsstichtag bestimmt. Es kommt dabei nicht auf die historischen Rekonstruktionskosten zum Zeitpunkt der Errichtung an, sondern auf die neuzeitlichen Ersatzbeschaffungskosten nach den Wertverhältnissen am Wertermittlungsstichtag. Zu den wesentlichen Modellparametern des Sachwertverfahrens gehören im Übrigen das (fiktive) Baujahr, bei dem Erweiterungsbauten und Modernisierungen nach dem ursprünglichen Erstellungsjahr berücksichtigt sind, die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer, woraus sich die rechnerische Alterswertminderung ergibt, und der Bodenwert, der vorrangig im Vergleichswertverfahren zu ermitteln ist.
Rz. 71
Erfahrungsgemäß besteht aber keine Identität zwischen Kosten und (Markt-)Wert. Die notwendige Übersetzung des Sachwertes in einen Marktwert (Marktanpassung) erfolgt durch die Anwendung von aus dem Markt abgeleiteten sog. Sachwertfaktoren. Diese entsprechen dem Verhältnis der tatsächlichen Kaufpreise zu den jeweiligen rechnerischen Sachwerten der faktisch verkauften Objekte (§§ 35 und 6 Abs. 2 i.V.m. 7 und 21 ImmoWertV).
Rz. 72
Nach dem Grundsatz der Modellkonformität (siehe Rdn 46 ff.) sind diese Marktanpassungsfaktoren nur auf Sachwerte anwendbar, die nach dem gleichen Modell (z.B. mit den gleichen Kostenkennzahlen) berechnet wurden. Das bedeutet aber auch, dass es für die Verkehrswertermittlung nach dem Sachwertverfahren letztlich nicht auf die "Richtigkeit" der modellhaft angenommenen Herstellungskosten ankommt. Mittels des Sachwertfaktors kann ein "falscher" (vorläufiger) Sachwert durchaus in einen "richtigen" Verkehrswert übersetzt werden. Die dem Verkehrswert nach § 194 BauGB immanente Marktorientierung hängt in diesen Fällen dann einzig am aus dem Markt abzuleitenden Sachwertfaktor.
Rz. 73
Typischerweise wird das Sachwertverfahren bei Eigenheimen angewandt, wenn mittelbare und unmittelbare Preisvergleiche mit zeitnah gehandelten Vergleichsobjekten aufgrund der Heterogenität der Immobilien nicht möglich ist und eine renditeorientierte Betrachtung den Gepflogenheiten des Marktes nicht entspricht.
Das Sachwertverfahren kommt auch in Betracht, wenn sich bei marktüblich eigengenutzten Wirtschaftsimmobilien der Anteil am (Unternehmens-)Ertrag nicht objektiv der Immobilie zurechnen lässt. Das heißt, die Immobilie wird zwar nach den Gepflogenheiten des Teilmarktes – gewissermaßen mittelbar – zur Ertragserzielung erworben (Immobilie als Produktionsfaktor), es existiert aber kein relevanter Vermietungsmarkt für die Art des Wertermittlungsobjektes an sich.