a) Angebotsarten
Rz. 252
§ 2 Abs. 1 WpÜG regelt öffentliche Kauf- oder Tauschangebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft. Dabei ist zwischen drei verschiedenen Arten von Angeboten zu unterscheiden:
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Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, häufig auch als Erwerbsangebot bezeichnet, |
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Übernahmeangebote und |
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Pflichtangebote. |
Übernahmeangebote sind gem. § 29 Abs. 1 WpÜG Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind. Die Kontrolle erlangt nach § 29 Abs. 2 WpÜG, wer mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft hält. Hält der Bieter bereits 30 % oder mehr der Stimmrechte und gibt dann ein Angebot zum Erwerb aller Stimmrechte ab, handelt es sich nicht um ein Übernahmeangebot gem. § 29 WpÜG. Die 30 %-Schwelle orientiert sich an Regelungen in anderen europäischen Staaten und trägt darüber hinaus den (geringen) Präsenzen in deutschen Hauptversammlungen Rechnung.
Hinweis
Es gibt keinen europaweit einheitlichen Begriff der Kontrolle, da sich der prozentuale Anteil der Stimmrechte, der eine Kontrolle begründet, und die Art der Berechnung dieses Anteils gem. Art. 5 Abs. 3 der Übernahmerichtlinie nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats richtet.
Rz. 253
Wer die Kontrolle in anderer Weise als durch ein Übernahmeangebot erlangt (z.B. durch einen Paketerwerb) muss ein Pflichtangebot abgeben. Durch das Pflichtangebot wird den Minderheitsaktionären der Zielgesellschaft ermöglicht, ihre Beteiligung an dem Unternehmen zu einem gesetzlichen Mindestpreis zu veräußern.
Rz. 254
Alle sonstigen Angebote, die die Kontrollschwelle nicht tangieren (z.B. ein Angebot zum Erwerb einer Beteiligung von weniger als 30 % oder ein Aufstockungsangebot bei einer bereits bestehenden Beteiligung von mindestens 30 %), sind (einfache) Erwerbsangebote.
Auf den Rückerwerb eigener Aktien ist das WpÜG nicht anwendbar.
b) Internationaler Anwendungsbereich
aa) Ausländische Gesellschaft mit inländischer Börsennotierung
Rz. 255
Das WpÜG findet neben der AG und der KGaA mit Sitz im Inland auch auf Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Anwendung. Sie sind in die Definition des Begriffs "Zielgesellschaft" einbezogen, sofern die Wertpapiere der betreffenden Gesellschaft zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.
Damit erfasst das WpÜG bspw. ein Angebot an die Aktionäre einer Public Limited Company mit Sitz in Irland bzw. einer luxemburgischen Société Anonyme mit Sitz in Luxemburg, deren Aktien ausschließlich zum Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen sind. Das WpÜG ist in einem solchen Fall gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 WpÜG aber nur anzuwenden, soweit es Fragen der Gegenleistung, des Inhalts der Angebotsunterlage und des Angebotsverfahrens regelt. Die gesellschaftsrechtlichen Fragen sind hingegen allein nach dem Recht des Sitzstaats der Zielgesellschaft zu beurteilen.
bb) Inländische Gesellschaft mit ausländischer Börsennotierung
Rz. 256
Denkbar ist auch der umgekehrte Fall, dass die Aktien der AG, KGaA oder SE mit Sitz in Deutschland nicht im Inland, sondern in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. In diesem Fall ist das WpÜG auf Übernahme- und Pflichtangebote zum Erwerb der Aktien dieser Gesellschaft gem. § 1 Abs. 2 WpÜG nur eingeschränkt anwendbar. Hervorzuheben ist, dass sich die Frage des Kontrollerwerbs in einem solchen Fall weiterhin nach § 29 Abs. 2 WpÜG bestimmt. Selbst wenn also der Staat der Börsennotierung einen Kontrollerwerb erst bei einem Erwerb von bspw. 50 % der Stimmrechte annehmen sollte, bliebe weiterhin die 30 %-Schwelle des WpÜG anwendbar.
Hinweis
In dem Fall, dass die Aktien einer Gesellschaft in Deutschland an einem organisierten Markt zugelassen sind, der Gesellschaftssitz aber außerhalb des EWR-Raumes liegt, findet das WpÜG insgesamt keine Anwendung.