a) Herkunft der Art. 7 ff. MMVO und Rechtsrahmen
Rz. 8
Mit Inkrafttreten des WpHG als Bestandteil des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes wurde das Insiderrecht in Deutschland erstmals kodifiziert. In der Folgezeit waren die Bestimmungen des WpHG Gegenstand verschiedener Gesetzesänderungen. Grundlegende Änderungen sind durch die MMVO und das 1. FiMaNoG Anfang Juli 2016 eingeführt worden. Auf europäischer Ebene werden die Regelungen der MMVO durch jeweils unmittelbar anwendbare sog. Delegierte Verordnungen und Durchführungsverordnungen und auf nationaler Ebene insb. durch die Wertpapierhandelsanzeigeverordnung (WpAV) konkretisiert.
Rz. 9
Die BaFin gibt den Emittenten und sonstigen Kapitalmarktteilnehmern Hilfestellung bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des WpHG sowie der MMVO. Inzwischen erfolgt dies durch verschiedene sog. Module des Emittentenleitfadens sowie aktuell zu Directors‘ Dealings-Aspekten in einem FAQ-Dokument, das in unterschiedlichen Abständen von der BaFin aktualisiert wird. Bezüglich der Rechtsnatur des Emittentenleitfadens besteht Einigkeit darüber, dass es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelt. Damit entfaltet der Emittentenleitfaden zwar keine bindende Wirkung ggü. den Gerichten. Er kann aber ggü. den Emittenten und sonstigen betroffenen Personen im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG Außenwirkung entfalten. Damit hat der Leitfaden erhebliche praktische Bedeutung für die Kapitalmarktteilnehmer. Das Modul C befasst sich mit dem Marktmissbrauchsrecht und ist nach einem umfangreichen Konsultationsverfahren im April 2020 veröffentlicht worden. Zusätzlich hat die BaFin sog. Bußgeldleitlinien veröffentlicht, mit denen sie die Höhe der zu verhängenden Geldbußen für bestimmte Ordnungswidrigkeiten im Bereich des WpHG im Rahmen der gesetzlichen Bußgeldrahmen bemisst. Auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) veröffentlicht punktuelle Auslegungshilfen in ihrem immer wieder aktualisierten Q&A-Dokument. Die von der ESMA veröffentlichten Leitlinien im Kontext des Marktmissbrauchsrechts legt die BaFin bei ihrem Verwaltungshandeln zugrunde, sodass auch sie für die Kapitalmarktteilnehmer von besonderer Bedeutung sind.
Hinweis
Die hier vorliegende Einführung in die verschiedenen Themenbereiche der MMVO orientiert sich wegen der erheblichen Praxisbedeutung an den Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden Modul C.
b) Funktion des Insiderrechts
Rz. 10
Das Insiderrecht nach Art. 7 ff. MMVO verfolgt primär das Ziel, durch die Bekämpfung von Insidergeschäften die Integrität und Effizienz des Finanzmarkts zu stärken und durch eine vollständige Transparenz die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass alle Wirtschaftsakteure an integrierten Finanzmärkten teilnehmen können. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, dass dieser Funktionenschutz untrennbar mit den Interessen der Anleger verbunden ist, denn die Funktionsfähigkeit organisierter Wertpapiermärkte basiert auf dem Vertrauen der Anleger, die erwarten, informationell gleich behandelt zu werden und vor einer unrechtmäßigen Verwendung von Insiderinformationen geschützt zu sein. Das wesentliche Merkmal von Insidergeschäften wird in einem ungerechtfertigten Vorteil einzelner Personen gesehen. Im Hinblick auf § 823 Abs. 2 BGB lehnte die herrschende Meinung die Schutzgesetz...