a) Regelungsinhalt
Rz. 322
Der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft sind verpflichtet, eine begründete Stellungnahme zum Angebot sowie zu jeder seiner Änderungen abzugeben. Auch diese Verpflichtung trägt wiederum dem Gedanken größtmöglicher Transparenz Rechnung.
Die Stellungnahme muss nach § 27 Abs. 1 WpÜG insb. eingehen auf
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die Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung (Nr. 1), |
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die Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft (Nr. 2), |
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die vom Bieter mit dem Angebot verfolgten Ziele (Nr. 3) sowie |
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die Absicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, soweit sie Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen (Nr. 4). |
Rz. 323
Die Stellungnahme des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats hat grds. eine Handlungsempfehlung zu enthalten und kann zustimmenden oder ablehnenden Charakter haben; nur im Einzelfall ist eine Stellungnahme zulässig, die sich einer konkreten Handlungsempfehlung an die Aktionäre enthält.
In jedem Fall aber sind in der Stellungnahme die Gründe anzugeben, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen, die den Vorstand bzw. den Aufsichtsrat zu der Empfehlung bzw. neutralen Stellungnahme veranlasst haben. Nur so wird die notwendige Transparenz geschaffen, die es den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft ermöglicht, auf informierter Grundlage über die Annahme oder Ablehnung des Angebots zu entscheiden. Bei der Abwägung sind sämtliche innerhalb der Zielgesellschaft betroffenen Einzelinteressen zu berücksichtigen. Die Entscheidung ist also nicht ausschließlich am Interesse der Aktionäre oder nur am Interesse der Arbeitnehmer auszurichten. Um einer Irreführung der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft vorzubeugen, sollte allerdings in der Stellungnahme herausgestellt werden, ob andere Interessen als die der Wertpapierinhaber für die Handlungsempfehlung ausschlaggebend waren.
b) Zuständigkeit
Rz. 324
Nach dem Wortlaut von § 27 Abs. 1 WpÜG sind nicht die einzelnen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, sondern Vorstand und Aufsichtsrat als Kollektivorgane für die Abgabe der Stellungnahme zuständig. Voraussetzung ist demnach jeweils die Herbeiführung eines Beschlusses von Vorstand und Aufsichtsrat. Der Vorstandsbeschluss muss – vorbehaltlich abweichender Regelung in der Satzung oder der Geschäftsordnung für den Vorstand – einstimmig gefasst werden (§ 77 Abs. 1 AktG). Auf Aufsichtsratsebene reicht die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 108 Abs. 1 AktG). Sondervoten einzelner, überstimmter Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder können in der Stellungnahme veröffentlicht werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der jeweilige Beschluss dies gestattet und insofern von der prinzipiell geltenden Verschwiegenheitspflicht dispensiert.
Rz. 325
Die Verpflichtung zur Abgabe der Stellungnahme durch den Aufsichtsrat kann auf einen Aufsichtsratsausschuss delegiert werden. Das Verbot des § 107 Abs. 3 AktG, das abschließend bestimmte Aufgaben einer Entscheidung des Gesamtaufsichtsrats vorbehält, ist nicht einschlägig. Insb. um möglichen Interessenkonflikten vorzubeugen, kann die Delegation auf einen für die Stellungnahme zuständigen Aufsichtsratsausschuss, der mit unabhängigen Mitgliedern besetzt ist, sinnvoll sein. Auch wenn für die Zusammensetzung eines Aufsichtsratsausschusses kein Paritätsgebot gilt, dürfte es im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention regelmäßig geboten sein, im Falle der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat mindestens einen Arbeitnehmervertreter in den für die Stellungnahme zuständigen Ausschuss zu berufen.