§ 27 Kapitalmarktrecht / 2. Angebotsunterlage

Rz. 269

Im Anschluss an die Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG hat der Bieter eine Angebotsunterlage zu erstellen, die der BaFin nach § 14 Abs. 1 Satz 1 WpÜG innerhalb von 4 Wochen nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots zur Prüfung zu übermitteln ist.

Hinweis

Die Fristberechnung erfolgt nach § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.^[613] Ist dem Bieter aufgrund der besonderen Schwierigkeiten eines grenzüberschreitenden Angebots oder erforderlicher Kapitalmaßnahmen die Einhaltung der Frist nicht möglich, kann die BaFin die Frist auf Antrag um bis zu 4 Wochen verlängern (§ 14 Abs. 1 Satz 3 WpÜG).

Rz. 270

Sinn und Zweck der Angebotsunterlage ist es, die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft und deren Arbeitnehmer (stakeholder) über den genauen Inhalt des Angebots und über die mit dem Angebot verfolgten Ziele zu unterrichten.^[614] Insb. die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft sollen eine hinreichende Grundlage für ihre Entscheidung über die Annahme des Angebots erhalten (§ 11 Abs. 1 Satz 2 WpÜG).

[613] Vgl. hierzu Baums/Thoma/Verse/Thoma, WpÜG, § 14 Rn 21; Haarmann/Schüppen/Scholz, WpÜG, § 14 Rn 29; Steinmeyer/Santelmann, WpÜG, § 14 Rn 7 f.

[614] Im Einzelnen zur Veröffentlichung einer Unterlage über ein Aktienerwerbsangebot nach den Vorschriften des WpÜG beim Self-Tender Offer und Delisting Guntermann, NZG 2021, 1621, 1628.

a) Ablauf des Gestattungsverfahrens bei der BaFin

Rz. 271

Vorabprüfungen einer Angebotsunterlage durch die BaFin finden – anders als nach der Praxis, die sich bei der Billigung von Prospekten nach der Prospektverordnung etabliert hat – grds. nicht statt. Jedoch ist die Aufsichtsbehörde zu Vorgesprächen über Zweifelsfragen – etwa im Hinblick auf die Zulässigkeit und Formulierung einzelner Angebotsbedingungen – im Interesse der Gewährleistung eines zügigen Angebotsverfahrens grds. bereit. In diesem Rahmen gibt sie auch Hinweise i.S.d. § 25 VwVfG.^[615]

Die BaFin bestätigt dem Bieter nach § 14 Abs. 1 Satz 2 WpÜG den Tag des Eingangs der Angebotsunterlage.^[616] Mit dem Eingang der Angebotsunterlage beginnt eine erste Prüfungsfrist von 10 Werktagen.

Hinweis

Die Fristberechnung erfolgt nach § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB. Dabei gilt – entgegen § 31 Abs. 3 VwVfG und § 193 BGB – der Samstag als Werktag.^[617]

Innerhalb dieser Prüfungsfrist kann die BaFin das Angebot ausdrücklich gestatten oder aber die Frist verstreichen lassen, ohne das Angebot zu untersagen. In beiden Fällen wäre die Angebotsunterlage nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG unverzüglich zu veröffentlichen. In der Praxis spricht die BaFin häufig eine ausdrückliche Gestattung aus.

Rz. 272

Die BaFin hat zudem die Möglichkeit, die Prüfungsfrist um bis zu 5 Werktage zu verlängern, wenn die Angebotsunterlage nach ihrer Auffassung nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht. In diesem Fall leitet die BaFin dem Bieter eine Verfügung zu, in der sie üblicherweise die Untersagung des Angebots androht, falls die in der Verfügung genannten Mängel nicht innerhalb der verlängerten Prüfungsfrist beseitigt werden.^[618] Die korrigierte Angebotsunterlage ist sodann erneut der BaFin zu übermitteln, die ihre Veröffentlichung durch eine weitere Verfügung gestattet, wenn die von der Aufsichtsbehörde benannten Mängel beseitigt wurden. Die Angebotsunterlage ist unverzüglich nach der Gestattung zu veröffentlichen. Die Modalitäten der Veröffentlichung ergeben sich aus § 14 Abs. 3 WpÜG.

Rz. 273

Erfüllt die Angebotsunterlage nicht die gesetzlichen Anforderungen, untersagt die BaFin das Angebot nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 WpÜG.^[619] Darüber hinaus untersagt die BaFin das Angebot, wenn der Bieter der BaFin entgegen § 14 Abs. 1 Satz 1 WpÜG keine Angebotsunterlage übermittelt (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 WpÜG) oder er die Angebotsunterlage entgegen § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG nicht veröffentlicht (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 WpÜG). Schließlich kann die Aufsichtsbehörde das Angebot nach § 15 Abs. 2 WpÜG untersagen, wenn der Bieter die Angebotsunterlage nicht in der vorgeschriebenen Form veröffentlicht. Hat die BaFin ein Angebot nach § 15 Abs. 1 oder 2 WpÜG untersagt, ist ein weiteres Angebot an die Aktionäre der Zielgesellschaft wie auch die Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines solchen Angebots nach § 10 Abs. 3 Satz 1 WpÜG durch den Bieter, eine zum Zeitpunkt der Untersagung mit ihm gemeinsam handelnde Person und auch eine Person, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung mit diesen gemeinsam handelt, vor Ablauf eines Jahres unzulässig (vgl. § 26 Abs. 1 WpÜG). Durch die Ende 2019 erfolgte Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 26 WpÜG auf mit dem Bieter gemeinsam handelnde Personen schloss der Gesetzgeber eine Lücke, die die Umgehung der gesetzlichen Sperrfrist durch die Gründung einer neuen Bietergesellschaft ermöglichte.^[620] Berechnet wird die Sperrfrist des § 26 WpÜG nach § 31 VwVfG i.V.m. §§ 187, 188 BGB.^[621]

[615] Zur informellen Vorprüfung Assmann/Pötzsch/Schneider/Assmann, WpÜG, § 14 Rn 21; Haarmann/Schüppen/Scholz, WpÜG, § 14 Rn 33; KK-WpÜG/Seibt, § 1...