Rz. 70
Die Ad-hoc-Publizität knüpft an den Begriff der Insiderinformation an. Allerdings ist nicht jede Insiderinformation ad-hoc-publizitätspflichtig. Eingegrenzt wird die Veröffentlichungspflicht des Emittenten durch das in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 MMVO enthaltene Unmittelbarkeitskriterium (vgl. die Ausführungen unter Rdn 74 ff.) und die in Art. 17 Abs. 4 und 5 MMVO vorgesehene Möglichkeit des Aufschubs der Veröffentlichung (vgl. die Ausführungen unter Rdn 88 ff.).
a) Adressaten der Verpflichtung
Rz. 71
Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat beantragt oder erhalten haben, bzw. im Falle von Instrumenten, die nur auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, sowie Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem in einem Mitgliedstaat erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem in einem Mitgliedstaat beantragt haben, unterliegen gem. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 MMVO der Ad-hoc-Publizität. Dies gilt sowohl für juristische Personen des privaten wie auch des öffentlichen Rechts.
Rz. 72
Auch sog. Freiverkehrsemittenten (MTF-Emittenten) unterliegen der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Voraussetzung ist jedoch, dass deren Finanzinstrumente mit ihrer Zustimmung zum Handel zugelassen oder in den Handel einbezogen sind. Eine Zustimmung in diesem Sinne erfordert mehr als die bloße Zurkenntnisnahme. Der Emittent muss willentlich und wissentlich dem Handel zugestimmt haben. Irrelevant ist hierfür jedoch, ob er den Folgepflichten des Börsenhandels zustimmt. Denkbar sind daher drei Varianten der Zustimmung:
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der Emittent hat selbst den Antrag auf Zulassung/Einbeziehung zum Handel an einem MTF gestellt, |
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der Emittent hat einen Dritten beauftragt, einen Antrag auf Zulassung/Einbeziehung zum Handel zu stellen, |
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der Emittent hat die Zulassung/Einbeziehung seiner Wertpapiere zum Handel durch einen Dritten genehmigt. |
Emittenten am OTF und Teilnehmer am Emissionszertifikatemarkt sind ebenfalls ad-hoc-pflichtig (Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 2 MMVO). Die deutschen Freiverkehre gelten als MTF.
Rz. 73
Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 MMVO greift für Emittenten am regulierten Markt und MTF-Emittenten die Ad-hoc-Pflicht bereits mit Stellung des Antrags auf Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel.
b) Vorliegen einer Insiderinformation, die den Emittenten unmittelbar betrifft
Rz. 74
Nicht jede Insiderinformation ist vom Emittenten zu veröffentlichen, sondern nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 MMVO nur eine solche, die diesen Emittenten unmittelbar betrifft. Durch das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Betroffenheit sollen allgemeine Marktinformationen aus der Ad-hoc-Pflicht herausgenommen werden werden.
Rz. 75
Eine Definition der unmittelbaren Betroffenheit ist in der MMVO nicht enthalten. Damit können grds. einerseits Informationen bzw. Umstände, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eintreten, z.B. unternehmensinterne Entwicklungen wie etwa Erfindungen, Geschäftsabschlüsse, Compliance-Verstöße, Kapitalmaßnahmen, außerordentliche Erträge oder Aufwendungen, Finanzinformationen, Prognosen bzw. Prognoseänderungen ad-hoc-pflichtig sein. Andererseits können auch Umstände, die außerhalb des Tätigkeitsbereichs des Emittenten eintreten, veröffentlichungspflichtig sein, wenn sie den Emittenten unmittelbar betreffen. Als Beispiele sind in diesem Zusammenhang die Mitteilung der Abgabe eines Übernahmeangebots ggü. der Zielgesellschaft oder die Initiierung eines Squeeze-out durch den Hauptaktionär zu nennen. Auch Auswirkungen der Steuerreform in den USA sowie des sog. Corona-Virus waren Gegenstand bzw. Auslöser von Ad-hoc-Meldungen.
Rz. 76
Entscheidend für eine Veröffentlichungspflicht des Emittenten nach Art. 17 MMVO ist daher die Frage, ob die betreffende Insiderinformation ihn mittelbar oder unmittelbar betrifft. Durch dieses Unmittelbarkeitskriterium wird klargestellt, dass der Emittent nicht verpflichtet ist, allgemeine Informationen i.R.d. Ad-hoc-Publizität zu veröffentlichen. Auf der anderen Seite lässt sich ein allgemeinverbindlicher und vollständiger Katalog publizitätspflichtiger Insiderinformationen nicht aufstellen. Die BaFin hat typische Fallgestaltungen für ad-hoc-pflichtige Insiderinformationen veröffentlicht, die jedoch allenfalls als Anhaltspunkt genutzt werden können. Stets ist zu prüfen, ob im Einzelfall eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation vorliegt.
Die BaFin hat zu Recht...