Rz. 88
Die einheitliche Anknüpfung von Insiderverbot und Ad-hoc-Publizität an den Begriff der Insiderinformation führt dazu, dass der Emittent an sich jede Insiderinformation i.S.d. Art. 7 MMVO, die ihn unmittelbar betrifft, unverzüglich veröffentlichen muss. Schutzwürdigen Belangen des Emittenten, eine solche Veröffentlichung hinauszuschieben, wird durch die Möglichkeit des Aufschubs der Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 4 MMVO Rechnung getragen. Nach Art. 17 Abs. 4 MMVO kann ein Emittent die Offenlegung von Insiderinformationen aufschieben, sofern folgende Voraussetzungen vorliegen
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die unverzügliche Offenlegung wäre geeignet, die berechtigten Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen, |
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der Aufschub wäre nicht geeignet, die Öffentlichkeit irrezuführen und |
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der Emittent kann die Geheimhaltung sicherstellen. |
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Während des Aufschubzeitraums ist fortlaufend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Aufschub noch vorliegen. Entfällt nur eine der oben genannten Voraussetzungen, ist der Emittent verpflichtet, unverzüglich die Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung zu veranlassen (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b) (ii) der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055).
Hinweis
Um umgehend auf eine Veröffentlichungspflicht während des Aufschubzeitraums reagieren zu können, hat der Emittent stets aktuelle Entwürfe einer Ad-hoc-Mitteilung (sog. "Notfall-Ad-hoc") und die Dokumentation des Aufschubs vorzuhalten (sog. "Schubladenlösung"). Diese Aufgabe sowie die Dokumentation der Umstände und Ereignisse, die sich möglicherweise zu einer Insiderinformation entwickeln können, werden in der Praxis häufig an ein bei dem Emittenten eingerichtetes Ad-hoc-Komitee oder an einen sog. Ad-hoc-Ausschuss delegiert. Die Praxis zur Zusammensetzung dieses Gremiums, insbesondere die Frage, ob ein Vorstandsmitglied dem Gremium angehört, ist sehr unterschiedlich.
Rz. 89
Nach Art. 17 Abs. 4 MMVO wird eine aktive Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung verlangt. ("kann auf eigene Verantwortung … aufschieben"). An dieser Entscheidung hat grds. mindestens ein Geschäftsleitungsmitglied mitzuwirken.
Rz. 90
Für einen zulässigen Aufschub ist erforderlich, dass die Entscheidung genau dokumentiert wird. Nach Art. 4 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 sind insbesondere das Datum und die Uhrzeit des erstmaligen Vorliegens der Insiderinformation, der Entscheidung(en) über einen Aufschub der Veröffentlichung und der wahrscheinlichen Bekanntgabe der Insiderinformation festzuhalten. Daneben muss dokumentiert werden, wer beim Emittenten für
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die Entscheidung über den Aufschub der Bekanntgabe und den Beginn und das voraussichtliche Ende des Aufschubs, |
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die Gewährleistung der fortlaufenden Überwachung der Bedingungen für den Aufschub, und |
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die Entscheidung über die Bekanntgabe der Insiderinformationen und die Vorlage der geforderten Informationen über den Aufschub und der schriftlichen Erläuterung bei der BaFin |
zuständig ist. Ferner sind Nachweise über die erstmalige Erfüllung der Voraussetzungen und für jegliche Änderungen der Erfüllung dieser Voraussetzungen des Aufschubs erforderlich. Hierzu zählen Nachweise zu sog. Informationshindernissen intern beim Emittenten und gegenüber Dritten, die den Zugang zur Insiderinformation durch andere Personen als diejenigen verhindern, die sie für die normale Ausübung ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben beim Emittenten benötigen. Auch die getroffenen Vorkehrungen zur schnellstmöglichen Bekanntgabe der Insiderinformationen, wenn die Geheimhaltung nicht mehr gewährleistet ist, sind nachzuweisen.