§ 27 Kapitalmarktrecht / 7. Handelsverbot während geschlossener Zeiträume

Rz. 143

Mit Art. 19 Abs. 11 MMVO wurde erstmals ein Handelsverbot innerhalb bestimmter sog. geschlossener Zeiträume (sog. Closed Periods) gesetzlich geregelt. Früher waren häufig als Blackout Periods bekannte Zeiträume nach einer weit verbreiteten Marktpraxis lediglich in unternehmensinternen Richtlinien mit ähnlichen Vorgaben vorgesehen.

Nach dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 11 MMVO sind nur Führungspersonen, nicht jedoch mit diesen in enger Beziehung stehende Personen vom Handelsverbot erfasst.^[309] Dennoch geht die BaFin^[310] davon aus, dass je nach den Umständen des Einzelfalls auch Geschäfte der eng verbundenen Personen verboten sein können, wenn dies ein indirektes Geschäft der Führungsperson darstellt. Damit sollen Umgehungsversuche verhindert werden.

Rz. 144

Das Handelsverbot besteht für einen Zeitraum von 30 Kalendertagen vor Ankündigung eines Zwischenberichts oder eines Jahresabschlussberichts, zu deren Veröffentlichung der Emittent entweder nach den Vorschriften des Handelsplatzes, auf dem die Aktien des Emittenten zum Handel zugelassen sind, oder nach dem nationalen Recht verpflichtet ist. Der Tag der Veröffentlichung des Berichts bzw. der vorläufigen Geschäftszahlen wird nicht mitgezählt.^[311]

Rz. 145

Entgegen des missverständlichen Wortlauts ist mit der Ankündigung nicht etwa die Veröffentlichung des Finanzkalenders oder der Vorabbekanntmachung gem. §§ 114, 115, 117 WpHG gemeint. Vielmehr ist grds. auf das angekündigte Datum der Veröffentlichung des jeweiligen Berichts abzustellen.^[312] Die Veröffentlichung vorläufiger Geschäftszahlen kann unter bestimmten Voraussetzungen (laut ESMA) die Closed Period beenden.^[313] Auf das Datum der Veröffentlichung von vorläufigen Zahlen soll nach Ansicht der ESMA dann abgestellt werden, wenn die offengelegten vorläufigen Finanzergebnisse alle wesentlichen Angaben in Bezug auf die Finanzzahlen enthalten, die voraussichtlich auch im Jahresabschlussbericht enthalten sein werden. Offengelassen hat die ESMA aber, was unter "alle wesentlichen Angaben" zu verstehen ist.^[314] Voraussetzung dürfte jedoch sein, dass die Angaben den Kennzahlen entsprechen, die das Unternehmen regelmäßig in seinen Finanzmitteilungen veröffentlicht.

Rz. 146

Quartalsmitteilungen gem. § 53 BörsO FWB sind keine Zwischenberichte i.S.d. Art. 19 Abs. 11 MMVO und lösen damit keine Closed Period und somit auch kein Handelsverbot aus.^[315] Dies gilt auch für freiwillig erstellte und veröffentlichte Quartalsfinanzberichte. Ad-hoc-Mitteilungen lösen schon deshalb keine Closed Period aus, weil sie in der Regel nicht planbar sind und auch nicht alle Angaben des Berichts enthalten.^[316]

Rz. 147

Der Emittent kann Eigengeschäfte von Führungspersonen während einer Closed Period gem. Art. 19 Abs. 12 MMVO unter bestimmten Voraussetzungen erlauben.^[317] Dies kommt bei außergewöhnlichen Umständen^[318] wie schwerwiegenden finanziellen Schwierigkeiten,^[319] die den unverzüglichen Verkauf von Anteilen in einer Closed Period erforderlich machen, in Betracht. In diesen Fällen hat die Führungsperson vor dem Geschäft einen schriftlichen begründeten Antrag auf Zustimmung zum Geschäft beim Emittenten zu stellen.^[320] Außergewöhnlich sind solche Umstände, die äußerst dringend, unvorhergesehen und zwingend sind, nicht von der Führungsperson verursacht werden und sich der Kontrolle der Führungsperson entziehen. Art. 9 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522 enthält Beispiele für Umstände, die eine Erlaubnis des Geschäfts durch den Emittenten gestatten. Voraussetzung für die Erlaubnis durch den Emittenten ist gem. Art. 7 Abs. 1 lit. a) der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522, dass die Führungsperson gegenüber dem Emittenten nachweisen kann, dass das Geschäft nicht zu einem anderen Zeitpunkt, d.h. außerhalb der Closed Period, getätigt werden kann. Der Emittent soll nur im Einzelfall eine Erlaubnis erteilen dürfen; die Entscheidung über die Durchführung eines Aktienprogramms, bei dem es zu einer Zuteilung, Ausübung, einem Erwerb etc. innerhalb des Handelsverbotszeitraums kommen kann, soll nicht gleichzeitig eine Erlaubnis für ein konkretes Geschäft einer Führungsperson umfassen, da eine solche "vorab erteilte" Erlaubnis ausscheide.^[321]

[309] Seibt/Wollenschläger, AG 2015, 593, 602; Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1487; Kumpan, AG 2016, 446, 456; Poelzig, NZG 2016, 761, 769; Stüber, DStR 2016, 1221, 1226.

[310] Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. II.3.7, S. 73.

[311] Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. II.3.7, S. 73; a.A. Söhner, BB 2017, 259, 263.

[312] Stüber, DStR 2016, 1221, 1226.

[313] ESMA Questions and Answers, Stand 25.11.2022, ESMA70–145–111, Question 7.2.

[314] ESMA Questions and Answers, Stand25.11.2022, ESMA70–145–111, Question 7.2.

[315] Emittentenleitfaden der BaFin, Modul C, Ziff. II.3.7, S. 74; Söhner, BB 2017, 259, 263; Stüber, DStR 2016, 1221, 1226; a.A. Seibt/Wollenschläger, AG 2015, 593, 602.

[316] Stüber, DStR 2016, 1221, 1226.

[317] Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1487; Kumpan, AG 2016, 446, 457; S...