Rz. 242
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG bestehen keine Rechte aus Aktien, die dem Meldepflichtigen gehören, solange die Mitteilungspflicht nach §§ 33, 38 Abs. 1, 39 Abs. 1 WpHG nicht erfüllt wird. Erfasst sind damit:
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Stimmrechte, |
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sonstige Mitverwaltungsrechte (Teilnahme an der Hauptversammlung, Rede- und Fragerecht, Recht zur Abgabe einer Stellungnahme im Falle einer virtuellen Hauptversammlung, Anfechtungsbefugnis), |
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Vermögensrechte (Anspruch auf den anteiligen Bilanzgewinn nach § 58 Abs. 4 AktG und den Liquidationserlös nach § 271 AktG – allerdings nur bei vorsätzlicher Unterlassung ohne Nachholung der Mitteilung, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 WpHG). |
Auch wenn dies im Wortlaut des § 44 WpHG nicht zum Ausdruck kommt, geht die herrschende Meinung davon aus, dass ein Rechtsverlust nur eintritt, wenn der Meldepflichtige seine Mitteilungspflichten schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, nicht erfüllt hat. Da nach richtiger Auffassung der zivilrechtliche Vorsatzbegriff maßgeblich ist, bedarf es neben der Kenntnis des zur Meldepflicht führenden objektiven Sachverhalts, d.h. der die Meldepflicht nach §§ 33 ff. WpHG auslösenden Umstände, auch des Bewusstseins der Rechtswidrigkeit. Bei besonders schweren Rechtsverstößen gem. § 44 Abs. 1 Satz 2 WpHG tritt der Rechtsverlust, einschließlich des Rechts auf Dividendenzahlung endgültig ein. Dann wird der Rechtsverlust durch eine Nachholung nicht geheilt.
Hinweis
Von dem Rechtsverlust erfasst sind stets sämtliche Stimmrechte des Meldepflichtigen und daher nicht lediglich die Stimmrechte, die oberhalb des nicht gemeldeten Schwellenwerts liegen. Ein Aktionär, der 3,5 % der Stimmrechte einer Gesellschaft hält, verliert daher bei Nichtbeachtung der Eingangsmeldeschwelle von 3 % sämtliche Stimmrechte und nicht lediglich 0,5 % der Stimmrechte.
Rz. 243
Bis zum Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes konnte ein Investor zwischen zwei Hauptversammlungen unbemerkt ein Aktienpaket aufbauen. Da der Rechtsverlust nur solange bestand, bis der Meldepflichtige seiner Mitteilungspflicht nachkam, hatte dieser noch unmittelbar vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung die Möglichkeit, die Mitteilung nachzuholen.
Um ein solches Anschleichen zu verhindern und die Meldedichte zu erhöhen, sieht § 44 Abs. 1 Satz 3 WpHG eine schärfere Sanktionierung in Fällen vor, in denen sich eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht auf die Höhe der Beteiligung bezieht. So beschränkt sich der Rechtsverlust nicht auf den Zeitraum bis zur Erfüllung der Mitteilungspflicht, sondern wird nach § 44 Abs. 1 Satz 3 WpHG auf einen Zeitraum von 6 Monaten danach ausgedehnt, sofern die Höhe des Stimmrechtanteils betroffen ist. Von dieser rein zeitlichen Erweiterung, bleiben bei objektiver Auslegung die übrigen Modalitäten des Rechtsverlusts aus § 44 Abs. 1 Satz 1 WpHG unberührt, sodass dieser nachwirkende Rechtsverlust nach heute überwiegender und zutreffender Auffassung sämtliche Rechte, insbesondere auch das Vermögensrecht (namentlich das Dividendenrecht) erfasst.
Rz. 244
Nach § 44 Abs. 1 Satz 4 WpHG gilt die verschärfte Sanktion aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht, wenn die Abweichung bei der Höhe der in der vorangegangenen unrichtigen Mitteilung angegebenen Stimmrechte weniger als 10 % des tatsächlichen Stimmrechtsanteils beträgt und keine Mitteilung über das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten einer der in § 33 WpHG genannten Schwellen unterlassen wird.
Rz. 245
Werden in der Hauptversammlung trotz unterlassener Mitteilung Stimmrechte, auf die sich der Rechtsverlust erstreckt, ausgeübt, sind die gefassten Beschlüsse nicht nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig, sondern lediglich anfechtbar. Zum Erfolg führt eine Anfechtungsklage zudem nur, wenn die Berücksichtigung der (ungültigen) Stimmen für das festgestellte Abstimmungsergebnis kausal war. Gleichwohl hat die scharfe Sanktion des § 44 WpHG dazu geführt, dass Hauptversammlungsbeschlüsse – insbesondere bei Gesellschaften, die über einen oder mehrere Großaktionäre verfügen – auch mit der Behauptung eines etwaigen Rechtsverlustes nach § 44 WpHG angegriffen werden. Vor diesem Hintergrund sind im Schrifttum und in der Praxis verschiedene Vorschläge für eine Reform des § 44 WpHG (bzw. eine Beschränkung der Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen unter Berufung auf diese Bestimmung) unterbreitet worden. Der Gesetzgeber hat dies jedoch in den erfolgten Reformen nicht übernommen.
Rz. 246
Für den Fall der Zurechnung von Stimmrechten nach § 34 WpHG ordnet § 44 Abs. 1 Satz 2 WpHG ebenfalls einen Rechtsverlust für alle Zurechnungstatbestände an. Der Rechtsverlust tritt in diesen Fällen bereits ein, wenn nur einer der Beteiligten (also unmittelbarer oder mittelbarer Halter der Stimmrechte) seiner Mitteilungspflicht nicht nachkommt. Daher verlieren bei einem abgestimmten Verhalten alle Aktionäre ihre Rechte im Fall des Verstoßes bei einem Mitteilungs...