Rz. 102
§ 97 WpHG normiert den Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen den Emittenten wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen, § 98 WpHG die Haftung des Emittenten für die Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen. Die beiden Anspruchsgrundlagen dienen nicht nur dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, sondern sie wurden für die Geltendmachung erlittener Vermögensschäden einzelner Anleger geschaffen und stärken gezielt den individuellen Anlegerschutz. Mit Blick auf die Rechtsnatur ist umstritten, ob die §§ 97, 98 WpHG eine Vertrauenshaftung begründen oder ob es sich um deliktische Ansprüche handelt.
Rz. 103
Die Schadensersatzpflicht nach § 97 Abs. 1 WpHG besteht sowohl im Fall der Unterlassung positiver als auch negativer Veröffentlichungen. § 97 Abs. 1 Nr. 1 WpHG betrifft den Fall, dass der Anleger die Finanzinstrumente unter Berücksichtigung der von dem Emittenten unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung (mit negativem Inhalt) "zu teuer" kauft, während § 97 Abs. 1 Nr. 2 WpHG dem Anleger Schadensersatz gewährt, der bereits zuvor gehaltene Finanzinstrumente unter Berücksichtigung der vom Emittenten unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung (mit positivem Inhalt) "zu billig" verkauft. Ebenso verhält es sich bei § 98 WpHG: Nach Abs. 1 Nr. 1 erhält der Anleger Schadensersatz, der unter Berücksichtigung der vom Emittenten veröffentlichten unwahren Ad-hoc-Mitteilung (mit positivem Inhalt) "zu teuer" kauft, während Abs. 1 Nr. 2 WpHG wiederum den Fall erfasst, dass ein Anleger bereits zuvor gehaltene Finanzinstrumente unter Berücksichtigung der vom Emittenten veröffentlichten unwahren Ad-hoc-Mitteilung (mit negativem Inhalt) "zu billig" verkauft.
Rz. 104
Hinsichtlich des Verschuldens verlangen §§ 97 Abs. 2, 98 Abs. 2 WpHG Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, wobei das Gesetz dem geschädigten Anleger mit einer Beweislastumkehr entgegenkommt. Der Emittent muss den Beweis für das fehlende Verschulden erbringen, da alle möglichen Beweismittel regelmäßig in seiner Sphäre liegen. Des Weiteren setzen die §§ 97, 98 WpHG dem Wortlaut nach voraus, dass der Anleger aufgrund der veröffentlichten bzw. nicht veröffentlichten Insiderinformation Finanzinstrumente des Emittenten erworben oder veräußert hat. In diesem Zusammenhang war in der Vergangenheit umstritten, welche Anforderungen an den Nachweis des Klägers für den Kausalzusammenhang zwischen der unterlassenen oder unwahren Ad-hoc-Mitteilung und der Anlage- bzw. Desinvestitionsentscheidung zu stellen sind. Der BGH hat diese Frage in seinem "IKB"-Urteil geklärt. Soweit der Kursdifferenzschaden, also die Differenz zwischen dem Kurs, zu dem der Anleger die Finanzinstrumente erworben bzw. verkauft hat, und dem Kurs, der bei ordnungsgemäßer Information bestanden hätte, geltend gemacht wird, ist nach dem BGH kein individueller Vortrag zur haftungsbegründenden Kausalität erforderlich.
Ebenfalls streitig war bis zum Erlass der "IKB"-Entscheidung, ob als Ersatz des negativen Interesses auch die Rückgängigmachung des Wertpapiergeschäfts (Erstattung des Kaufpreises gegen Übertragung der Finanzinstrumente) verlangt werden kann oder nur der Kursdifferenzschaden. Der BGH hat sich der Literaturauffassung angeschlossen, die einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Wertpapiergeschäfts bejaht, dies allerdings nur, sofern der Anleger die Kausalität zwischen der unterbliebenen oder unrichtigen Veröffentlichung und seiner Anlageentscheidung nachweist.
Rz. 105
Gem. §§ 97 Abs. 3, 98 Abs. 3 WpHG ist der Schadensersatzanspruch jeweils ausgeschlossen, sofern der Dritte die nicht veröffentlichte Insiderinformation bzw. die Unrichtigkeit der veröffentlichten Insiderinformation im Fall des Abs. 1 Nr. 1 bei dem Erwerb oder im Fall des Abs. 1 Nr. 2 bei der Veräußerung kannte. Schadensersatzansprüche verjähren nach den allgemeinen Regeln der §§ 195, 199 BGB.