Rz. 183
§ 34 WpHG regelt die Voraussetzungen, unter denen sich ein Meldepflichtiger die Stimmrechte aus Aktien, die ihm nicht selbst gehören, wie eigene zurechnen lassen muss. Dahinter steht die Überlegung, dass eine transparente Information des Kapitalmarkts in zahlreichen Fällen nicht lediglich eine Offenlegung von direkt gehaltenen Stimmrechten erfordert, sondern auch Konstellationen erfassen muss, in denen eine Person auf die Stimmrechtsausübung eines anderen von Rechts wegen oder faktisch Einfluss hat oder haben kann. Damit dienen die Zurechnungstatbestände des § 34 WpHG zugleich dem Umgehungsschutz. Wenn einer der in § 34 WpHG geregelten Sachverhalte vorliegt, entsteht die Mitteilungspflicht nach § 33 Abs. 1 oder Abs. 2 WpHG sofern durch die Zusammenrechnung mit den direkt gehaltenen Aktien oder durch die zugerechneten Aktien allein die Schwellenwerte des § 33 WpHG berührt werden. Da das Gesetz eine abstrakte Betrachtung festlegt, erfolgt eine Stimmrechtszurechnung nach § 34 WpHG auch dann, wenn derjenige, dem zugerechnet wird, keinen rechtlich abgesicherten Anspruch darauf hat, dass seine Weisungen befolgt werden oder er erklärt, er werde keinen Einfluss nehmen oder er tatsächlich keinen Einfluss nimmt. Die Zurechnung von Stimmrechten gem. § 34 WpHG ändert nichts daran, dass die Person, die die Aktien unmittelbar hält, selbst nach § 33 Abs. 1 WpHG meldepflichtig bleibt. In vielen Fällen (insb. bei Konzernsachverhalten) lösen dieselben Stimmrechte daher mehrfach eine Meldepflicht aus, sog. Grundsatz der doppelten Meldepflicht. Es findet keine Absorption statt. In Konzernsachverhalten kann das Mutterunternehmen die Mitteilungspflichten unter den Voraussetzungen des § 37 WpHG für das Tochterunternehmen erfüllen. Nach Auffassung der BaFin soll in Konzernsachverhalten sogar ausschließlich eine Mitteilung der obersten Muttergesellschaft erfolgen und damit die Meldepflicht der Tochtergesellschaft erfüllt werden. So soll die Anzahl der Meldungen reduziert werden.
Rz. 184
Eine besondere Bedeutung im Rahmen von § 34 WpHG hat der Begriff des Tochterunternehmens. § 35 WpHG enthält die für die Mitteilungspflichten maßgebliche Legaldefinition, die in § 35 Abs. 1 Nr. 1 WpHG an die Definition in § 290 HGBzwar anknüpft,in ihrer zweiten Alternative sonstige Fälle auffangen will, in denen ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann (sog. Kontrollprinzip). Die Stimmrechte eines Tochterunternehmens bilden zunächst den in der Praxis bedeutsamsten Zurechnungstatbestand des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG. Darüber hinaus greifen die Tatbestände des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis Nr. 8 WpHG gem. § 34 Abs. 1 Satz 2 WpHG und des § 34 Abs. 2 WpHG in den Fällen ein, in denen der jeweilige Sachverhalt im Hinblick auf ein Tochterunternehmen des Meldepflichtigen verwirklicht wird, was zu den verschiedensten Verkettungsmöglichkeiten führt. Schließlich bestimmt § 34 Abs. 1 Satz 3 WpHG, dass dem Meldepflichtigen Stimmrechte eines Tochterunternehmens stets in voller Höhe zuzurechnen sind.
Beispiel
Ist der Meldepflichtige an dem Tochterunternehmen zu 75 % beteiligt und hält das Tochterunternehmen wiederum 10 % an dem Emittenten, hat das Mutterunternehmen die kompletten 10 % der Stimmrechte an dem Emittenten und nicht etwa entsprechend der Beteiligung lediglich 7,5 % zu melden.
Rz. 185
Durch das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001 wurden die Zurechnungstatbestände des § 34 WpHG denen des neu geschaffenen § 30 WpÜG angepasst. Dieser Gleichlauf wurde auch im Rahmen des Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes im Jahr 2015 beibehalten und entsprechende Änderungen in beiden Gesetzen vorgenommen. Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise Irritationen vermeiden, die anderenfalls bei Verwendung unterschiedlicher Zurechnungsregeln hätten auftreten können (näher hierzu u. Rdn 365 ff.).