Rz. 38
In Art. 9 MMVO sind ausdrücklich Ausnahmen vom Verbot der Insidergeschäfte geregelt, sog. legitime Handlungen. Die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen betreffen dabei sehr unterschiedliche Situationen.
Nach Art. 9 Abs. 1 MMVO liegt kein verbotenes Insidergeschäft vor, wenn die juristische Person, die beim Erwerb oder der Veräußerung über eine Insiderinformation verfügt, zuvor angemessene und wirksame Regelungen und Verfahren eingeführt, umgesetzt und aufrechterhalten hat, durch die sichergestellt wird, dass weder die natürliche Person, die in ihrem Auftrag den Beschluss gefasst hat, Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, auf die sich die Informationen beziehen, noch irgendeine andere natürliche Person, die diesen Beschluss in irgendeiner Weise beeinflusst haben könnte, im Besitz der Insiderinformationen gewesen ist, und die natürliche Person, die im Auftrag der juristischen Person Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, erworben oder veräußert hat, nicht auffordert, ihr keine Empfehlungen gegeben, sie nicht verleitet oder anderweitig beeinflusst hat. Mit dieser wortreichen Umschreibung sind Insider-Compliance-Maßnahmen gemeint, die durch Einführung von Informationsbarrieren (sog. Chinese Walls), Beobachtungslisten (sog. Watch Lists) sowie Sperrlisten (sog. Restricted Lists), Handelsverbote für die Personen, die trotz aller Maßnahmen von Insiderinformationen erfahren und die Einhaltung des Need-to-know-Prinzips den Informationsfluss hin zur handelnden Person verhindern.
Hinweis
Die eingeführten Maßnahmen sollten regelmäßig auf ihre Wirksamkeit evaluiert und an neue Technologien angepasst werden. Sobald Missstände auftreten, muss durch die Einführung von Kommunikationsprozessen sichergestellt sein, dass dies den zuständigen Gremien und der Geschäftsleitung mitgeteilt wird, damit diese Gegenmaßnahmen ergreifen können.
Rz. 39
Eine Ausnahme vom Verbot der Insidergeschäfte für sog. Marktintermediäre sieht Art. 9 Abs. 2 MMVO vor. Market Maker, Gegenparteien und Personen, die zur Ausführung von Aufträgen für Dritte zugelassen sind, nutzen eine ihnen bekannte Insiderinformation nicht, wenn das Geschäft im Zuge der normalen Ausübung ihrer Funktion bzw. Beschäftigung erfolgt. Die privilegierten Personen können aufgrund ihrer Funktion häufig allein aus den eingehenden Orders auf eine Insiderinformation schließen. Entsprechendes gilt für eine Swap-Gegenpartei, die einen verdeckten Beteiligungsaufbau entweder aus der Bündelung von Derivatabschlüssen oder aus der eigenen Beratung des Dritten erkennt. Hintergrund für die Ausnahme ist, dass diese Personen eine gewünschte Funktion für den Kapitalmarkt ausüben. Allerdings erstreckt sich dieser Schutz nach Erwägungsgrund 30 MMVO nicht auf Tätigkeiten, die gem. der MMVO anderweitig eindeutig verboten sind, wie etwa die als "Frontrunning" bekannte Praxis (Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen).
Rz. 40
Nach Art. 9 Abs. 3 MMVO besteht eine Ausnahme auch für den Fall, dass das fragliche Geschäft in gutem Glauben zur Erfüllung einer fälligen Verbindlichkeit getätigt wurde. Voraussetzung ist jedoch, dass die Verbindlichkeit vor dem Erhalt der Insiderinformation begründet worden oder entstanden ist. Wären diese Geschäfte nicht vom Verbot ausgenommen, hätten die Stornierung oder bloße Nichterfüllung Signalwirkung hinsichtlich der Existenz einer Insiderinformation.
Rz. 41
Im Rahmen von Übernahmen bzw. Fusionen wird nach Art. 9 Abs. 4 MMVO eine Ausnahme gewährt, wenn der Handelnde die Insiderinformation in diesem Zusammenhang erhalten hat und ausschließlich zur Umsetzung des eigenen Plans nutzt. Zusätzliche Voraussetzung ist allerdings, dass zum Zeitpunkt der Genehmigung der Fusion bzw. der Annahme des Angebots durch die Aktionäre der Zielgesellschaft sämtliche Insiderinformationen öffentlich bekannt gemacht worden sind oder anderweitig ihre Eigenschaft als Insiderinformation verloren haben. Erfasst werden hiervon etwa im Rahmen einer Due Diligence erlangte Insiderinformationen. Allerdings gilt die Ausnahme nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 MMVO ausdrücklich nicht für die Fälle des bloßen Beteiligungsaufbaus. Sog. alongside purchases sind nicht von der Ausnahme umfasst.
Rz. 42
Nach Art. 9 Abs. 5 MMVO stellt auch die Tatsache, dass eine Person ihr Wissen über den eigenen Entschluss, Finanzinstrumente zu erwerben bzw. zu veräußern, nutzt, kein verbotenes Insidergeschäft dar. Auch Erwägungsgrund 31 MMVO verweist darauf, dass Handlungen auf der Grundlage eigener Pläne und Handelsstrategien des Marktteilnehmers nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten sollten.
Rz. 43
Art. 9 Abs. 6 MMVO schränkt die Ausnahmetatbestände der legitimen Handlungen jedoch dahingehend ein, dass sich hinter den Geschäften gleichwohl kein rechtswidriger Grund verbergen darf. Gemeint sind z.B. Geschäfte, die in Manipulationsabsicht getätigt werden.
Rz. 44
Die BaFin erkennt diverse weitere ungeschriebene Ausnahmen ...