Rz. 365
Für einen Erwerb der Kontrolle ist es jedoch nicht erforderlich, dass der Bieter die stimmberechtigten Aktien selbst erwirbt. Ausreichend ist es, wenn ihm die Stimmrechte aus Aktien Dritter zugerechnet werden. Eine Ausnahme gilt für Stimmrechte, die zu einem von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft verwalteten Sondervermögen gehören, § 29 Abs. 2 Satz 2 WpÜG. Die Zurechnung von Stimmrechten ist in § 30 WpÜG geregelt, dessen Wortlaut der Regelung in § 34 WpHG entspricht.
aa) Verhältnis von § 34 WpHG und § 30 WpÜG
Rz. 366
Der Gesetzgeber hat bei Erlass des WpÜG bewusst eine Angleichung von § 34 WpHG vorgenommen, um Irritationen am Kapitalmarkt durch unterschiedliche Zurechnungstatbestände zu vermeiden. Beide Vorschriften sind daher richtigerweise gleich auszulegen. Dem wird zwar entgegengehalten, dass bei § 30 Abs. 2 WpÜG (Acting in Concert) die einschneidende Rechtsfolge der Angebotspflicht bedacht werden müsse (was für eine eher restriktive Auslegung spreche), während bei § 34 WpHG eine weite Auslegung im Sinne größtmöglicher Transparenz erforderlich sei.
Rz. 367
Die Schwere der Rechtsfolge ist aber kein maßgebliches Kriterium für die unterschiedliche Auslegung zweier gleich lautender Normen, und zwar insb. dann nicht, wenn der gesetzgeberische Wille, unterschiedliche Rechtsfolgen an gleich lautende Tatbestände zu knüpfen, so deutlich zutage tritt wie in der Begründung zum WpÜG und – erneut dezidiert – in der Begründung zum Risikobegrenzungsgesetz. Auch müsste es erhebliche Irritationen am Kapitalmarkt auslösen, wenn jemand bspw. gem. § 34 WpHG den Erwerb einer 50 %-Beteiligung meldet, eine Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots i.S.v. § 35 WpÜG aber nicht begründet würde.
Rz. 368
I.Ü. ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der in der Literatur geäußerten Kritik an dem Gleichlauf keinen Anlass gesehen hat, die Vorschrift durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz zu ändern, obwohl die Übernahmerichtlinie den dafür erforderlichen Spielraum eröffnet hätte.
bb) Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 1 WpÜG
Rz. 369
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 WpÜG stehen Stimmrechten des Bieters Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft gleich,
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die einem Tochterunternehmen des Bieters gehören (Nr. 1), |
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die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Bieters gehalten werden (Nr. 2), |
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die der Bieter einem Dritten als Sicherheit übertragen hat, es sei denn, der Dritte ist zur Ausübung der Stimmrechte aus diesen Aktien befugt und bekundet die Absicht, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des Bieters auszuüben (Nr. 3), |
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an denen zugunsten des Bieters ein Nießbrauch bestellt ist (Nr. 4), |
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die der Bieter durch eine Willenserklärung erwerben kann (Nr. 5), |
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die dem Bieter anvertraut sind oder aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des Aktionärs vorliegen (Nr. 6), |
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aus denen der Bieter die Stimmrechte aufgrund einer Vereinbarung, die eine zeitweilige Übertragung der Stimmrechte ohne die damit verbundenen Aktien gegen Gegenleistung vorsieht, ausüben kann (Nr. 7) und |
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die bei dem Bieter als Sicherheit verwahrt werden, sofern dieser die Stimmrechte hält und die Absicht bekundet, sie auszuüben (Nr. 8). |
Rz. 370
Bei sämtlichen vorgen...