Rz. 74
Nicht jede Insiderinformation ist vom Emittenten zu veröffentlichen, sondern nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 MMVO nur eine solche, die diesen Emittenten unmittelbar betrifft. Durch das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Betroffenheit sollen allgemeine Marktinformationen aus der Ad-hoc-Pflicht herausgenommen werden werden.
Rz. 75
Eine Definition der unmittelbaren Betroffenheit ist in der MMVO nicht enthalten. Damit können grds. einerseits Informationen bzw. Umstände, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eintreten, z.B. unternehmensinterne Entwicklungen wie etwa Erfindungen, Geschäftsabschlüsse, Compliance-Verstöße, Kapitalmaßnahmen, außerordentliche Erträge oder Aufwendungen, Finanzinformationen, Prognosen bzw. Prognoseänderungen ad-hoc-pflichtig sein. Andererseits können auch Umstände, die außerhalb des Tätigkeitsbereichs des Emittenten eintreten, veröffentlichungspflichtig sein, wenn sie den Emittenten unmittelbar betreffen. Als Beispiele sind in diesem Zusammenhang die Mitteilung der Abgabe eines Übernahmeangebots ggü. der Zielgesellschaft oder die Initiierung eines Squeeze-out durch den Hauptaktionär zu nennen. Auch Auswirkungen der Steuerreform in den USA sowie des sog. Corona-Virus waren Gegenstand bzw. Auslöser von Ad-hoc-Meldungen.
Rz. 76
Entscheidend für eine Veröffentlichungspflicht des Emittenten nach Art. 17 MMVO ist daher die Frage, ob die betreffende Insiderinformation ihn mittelbar oder unmittelbar betrifft. Durch dieses Unmittelbarkeitskriterium wird klargestellt, dass der Emittent nicht verpflichtet ist, allgemeine Informationen i.R.d. Ad-hoc-Publizität zu veröffentlichen. Auf der anderen Seite lässt sich ein allgemeinverbindlicher und vollständiger Katalog publizitätspflichtiger Insiderinformationen nicht aufstellen. Die BaFin hat typische Fallgestaltungen für ad-hoc-pflichtige Insiderinformationen veröffentlicht, die jedoch allenfalls als Anhaltspunkt genutzt werden können. Stets ist zu prüfen, ob im Einzelfall eine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation vorliegt.
Die BaFin hat zu Recht klargestellt, dass der Emittent grds. nur in Bezug auf von ihm selbst emittierte Finanzinstrumente ad-hoc-pflichtig ist. Denn ein Emittent kann unmöglich die Kurserheblichkeit von Informationen auf ihm gegebenenfalls sogar unbekannte derivative Finanzinstrumente beurteilen.
Rz. 77
Zu beachten ist, dass eine Veröffentlichungspflicht auch dann gem. Art. 17 Abs. 8 MMVO besteht, wenn die Insiderinformation einem Dritten gegenüber offengelegt wurde, außer der Dritte ist zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Rz. 78
Die Ad-hoc-Publizitätspflicht soll eine Konzerngesellschaft auch dann treffen können, wenn die Insiderinformation per rechtsträgerübergreifender Wissenszurechnung in die Sphäre der Konzerngesellschaft fällt. Dabei ist auf die Möglichkeit und einen konkreten Anlass des Datenzugriffs bei einer anderen Konzern- oder der Holdinggesellschaft abzustellen. Agieren die Gesellschaften selbstständig und stehen nicht in einem Wissens- oder Datenaustausch, so ist die Wissenszurechnung und mithin eine Ad-hoc-Publizitätspflicht jedoch abzulehnen.