Rz. 186
Die Zurechnungstatbestände des § 34 Abs. 1 Satz 1 WpHG werfen in der praktischen Anwendung zahlreiche Detail-, Auslegungs- und Abgrenzungsfragen auf. Die folgenden Ausführungen verstehen sich lediglich als ein Überblick, bei dem keinesfalls sämtliche Probleme angesprochen werden können.
(1) § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG
Rz. 187
Tochterunternehmen
Nach dieser Bestimmung erfolgt eine Zurechnung von Stimmrechten aus Aktien, die einem Tochterunternehmen des Meldepflichtigen "gehören", d.h. auf die das Tochterunternehmen gem. § 33 Abs. 3 WpHG einen unbedingten und ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllenden Anspruch auf Übertragung hat bzw. die in seinem zivilrechtlichen Eigentum stehen. Das Tochterunternehmen bleibt damit als Aktionär zwar meldepflichtig nach § 33 Abs. 1 WpHG, die daneben erforderliche Mitteilung des Mutterunternehmens rechtfertigt sich aber vor dem Hintergrund der konzernrechtlichen Einflussnahmemöglichkeit. Es besteht aber die Möglichkeit der Abgabe einer Konzernmeldung (s. Rdn 217 ff.), die von der BaFin auch gefordert wird.
Hinweis
Für die Lösung von komplexen Zurechnungsfragen bei der GmbH & Co. KG hat die BaFin im Emittentenleitfaden, Modul B allgemeine Leitlinien entwickelt.
Obwohl § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG diesen Fall nicht ausdrücklich erwähnt, ist entsprechend § 36 Abs. 2 Satz 2 GWB auch bei den Mitteilungspflichten des WpHG Raum für die Annahme einer mehrfachen Abhängigkeit. Beide Gesellschaften sind dann als herrschend anzusehen, sodass die in Rede stehende Beteiligung des Tochterunternehmens an dem Emittenten von beiden Mutterunternehmen in vollem Umfang zu melden ist. Aufgrund der Vielzahl möglicher Fallgestaltungen und der Beurteilungsschwierigkeiten im Einzelfall sollten potenzielle Meldepflichtige frühzeitig mit der BaFin Kontakt aufnehmen, um zu klären, ob eine Mehrmütterschaft im konkreten Fall vorliegt oder nicht.
In Bezug auf die Zurechnung der Stimmrechte aus eigenen Aktien, die ein Tochterunternehmen hält, hat die BaFin ihre Verwaltungspraxis geändert: Hält eine deutsche Aktiengesellschaft eigene Aktien, stehen ihr daraus nach § 71b AktG keine Rechte und damit auch keine Stimmrechte zu. Ist eine solche Aktiengesellschaft Tochterunternehmen eines Aktionärs, werden diesem Mutterunternehmen diese – ruhenden – Stimmrechte nach der geänderten Verwaltungspraxis nicht mehr nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG zugerechnet.
(2) § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG
Rz. 188
Nach dieser Bestimmung erfolgt eine Zurechnung von Stimmrechten aus Aktien, die von einem Dritten für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden. Dies ist der Fall, wenn der Meldepflichtige im (Innen-)Verhältnis zu dem Dritten die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den Aktien trägt und formale und wirtschaftliche Eigentümerstellung damit auseinanderfallen. Klassische Anwendungsfälle sind Treuhandverhältnisse und die mittelbare Stellvertretung. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfasst aber nur die Verwaltungstreuhand, bei der es im Hinblick auf die Aktie zur Vollrechtsübertragung kommt. Nicht anwendbar ist § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG dagegen im Fall der Vollmachtstreuhand, da der die Vollmacht Erteilende als Treugeber selbst nach § 33 Abs. 1 WpHG meldepflichtig bleibt. Nur Stimmrechte, die dem Treugeber zustehen oder ihm zuzurechnen sind, werden nicht dem Treuhänder zugerechnet. Ein wichtiger Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG besteht bei Vermögensverwaltungsgesellschaften (sog. Vorschaltgesellschaften), die als Verwaltungstreuhand ausgestaltet sind. Den Gesellschaftern einer solchen Vorschaltgesellschaft werden die Stimmrechte in bestimmten Fällen aus den von dieser gehaltenen Aktien nach herrschender Meinung lediglich quotal, also entsprechend ihrer Beteiligung zugerechnet. Angesichts des Spannungsverhältnisses zwischen der generellen quotalen Zurechnung und anderen Fällen der Zurechnung gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, in denen zusätzlich eine rechtliche oder tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit des wirtschaftlich Berechtigten gefordert wird, modifizierte die BaFin ihre Verwaltungspraxis dahingehend, dass eine quotale Zurechnung für Anleger, deren Anteil weniger als 25 % am Investmentvermögen beträgt, mangels Vorliegens einer Einflussnahmemöglichkeit grds. ausscheidet.
Rz. 189
Als weiterer Anwendungsfall des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist die Wertpapierleihe hervorzuheben, welche rechtlich als Sachdarlehen i.S.v. § 607 ...