Rz. 199
Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 WpHG werden dem Meldepflichtigen auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien des Emittenten, für den die BRD Herkunftsstaat ist, zugerechnet, mit dem der Meldepflichtige oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf diesen Emittenten aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt; ausgenommen sind Vereinbarungen im Einzelfall. Damit ist ein Sachverhalt umschrieben, der international unter dem Schlagwort "Acting in Concert" diskutiert wird.
Rz. 200
Voraussetzung des § 34 Abs. 2 WpHG ist ein kommunikativer Vorgang zwischen mindestens zwei Personen, der in einer Vereinbarung oder einer Verhaltensabstimmung in sonstiger Weise münden muss. Vereinbarungen in diesem Sinne sind v.a. Stimmrechts- und sog. Poolvereinbarungen. In Betracht kommen aber grds. alle Vertragsformen des Zivilrechts. Aus der Formulierung Verhaltensabstimmung "in sonstiger Weise" ergibt sich, dass für den Zurechnungstatbestand das Vorliegen eines formalen Vertragsschlusses nicht erforderlich ist. Erfasst werden daher auch sog. "gentlemen’s agreements". Dabei ist nach Ansicht der BaFin nicht erforderlich, dass der Meldepflichtige selbst Aktien des betreffenden Emittenten hält oder ihm aufgrund einer der Tatbestände des § 34 Abs. 1 Satz 1 WpHG Stimmrechte zugerechnet werden. Somit kann allein die Zurechnung nach § 34 Abs. 2 WpHG zu einer Mitteilungspflicht nach § 33 WpHG führen. Demgegenüber kommt bei einem abgestimmten Verhalten zwischen einem Treugeber und einem Dritten eine Zurechnung beim Treuhänder, der selbst nicht an diesen Abreden beteiligt ist, nicht in Betracht. Dies hat der BGH unter Aufhebung der evidenten Fehlentscheidung des OLG München als Vorinstanz, bestätigt.
Rz. 201
Rspr. und Schrifttum haben sich mit der Auslegung und Anwendung der Bestimmung seit ihrer erstmaligen Geltung nicht leicht getan, zumal sich regelmäßig auch beweisrechtliche Fragen und Unsicherheiten ergeben. Weitgehend Einigkeit bestand zwischen Rspr. und Schrifttum zunächst, dass die Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung Gegenstand der Abstimmung i.S.v. § 34 Abs. 2 WpHG bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG sein konnte. Allerdings sollte insoweit ein unbewusstes gleichförmiges Abstimmungsverhalten für die Verwirklichung des Tatbestands nicht ausreichen. Erforderlich sollte in jedem Fall eine Abstimmung des Verhaltens zur nachhaltigen Einflussnahme auf die Geschäfts- und Aufsichtsorgane der Gesellschaft und zur Verwirklichung einer gemeinsamen unternehmerischen Strategie sein.
Rz. 202
Die erheblichen Beweisschwierigkeiten sowie nicht zuletzt die enge Auslegung des Acting in Concert durch den BGH veranlassten den Gesetzgeber dazu, den Tatbestand zu erweitern. Zwar ist § 34 Abs. 2 Satz 1 WpHG – anders als noch im Gesetzentwurf vorgesehen – einschließlich der Einzelfallausnahme inhaltlich unverändert geblieben. Hinzugekommen ist allerdings die Regelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 WpHG, durch die der Tatbestand des Acting in Concert konkretisiert und verschärft wurde. Demgemäß setzt ein abgestimmtes Verhalten nach § 34 Abs. 2 Satz 2 WpHG voraus, dass sich der Meldepflichtige oder sein Tochterunternehmen und der Dritte über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken.
Rz. 203
Die erste Tatbestandsalternative entspricht der bereits vor dem Risikobegrenzungsgesetz überwiegend vertretenen Auffassung, nach der die Verhaltenskoordination zwingend auf die Ausübung der in den Aktien verkörperten Verwaltungsrechte, d.h. insb. des Stimmrechts, bezogen sein musste. Die zweite Tatbestandsalternative (Zusammenwirken "in sonstiger Weise") bedeutet insoweit eine Verschärfung ggü. der vorherigen Rechtslage, als der Tatbestand des Acting in Concert auch ein Zusammenwirken außerhalb der Hauptversammlung erfasst, sofern damit eine dauerhafte und erhebliche Beeinflussung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft bezweckt ist. Erfasst sind z.B. Fälle, in denen eine Einflussnahme auf die Willensbildung im Aufsichtsrat oder Vorstand beabsichtigt ist, sofern dies mit dem Ziel der dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung erfolgt. Nicht erfasst ist hingegen ein bloßer abgestimmter Aktienerwerb.
Rz. 204
Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 WpHG sind Vereinbarungen in Einzelfällen ausgenommen, wobei allerdings bislang in Schrifttum und Rspr. umstritten war, wann ein solcher Einzelfall anzunehmen ist. Nach teilweise vertretener Ansicht war das Vorliegen eines Einzelfalls formal, also im Hinblick auf die Häufigkeit des Abstimmungsverhaltens zu bestimmen. Die BaFin und weitere Gegenstimmen sprachen sich indes zunächst für eine sog. materiell-rechtliche Betrachtungsweise aus, wonach es für die Annahme einer Einzelfallausnahme maßgeblich auf die unternehmenspolitischen Folgen der Verhaltensabstimmung ankam.