1. Einleitung
a) Herkunft der Mitteilungspflicht und Rechtsrahmen
Rz. 109
Seit Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes sind die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einer börsennotierten Gesellschaft verpflichtet, von ihnen vorgenommene Wertpapiergeschäfte, die sich auf Aktien der eigenen Gesellschaft beziehen, der Gesellschaft und der BaFin mitzuteilen. Eine solche Mitteilungspflicht läuft international unter dem Schlagwort "Directors’ Dealings".
Nunmehr sind die sog. Eigengeschäfte von Führungspersonen (Managers’ Transactions) in Art. 19 MMVO geregelt und werden durch die Bestimmungen der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522 sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2016/523 und das deutsche WpHG näher konkretisiert.
b) Funktion der Mitteilungspflicht
Rz. 110
Directors’ Dealings wohnt die Befürchtung inne, dass solche Geschäfte mit Wertpapieren des eigenen Unternehmens der Ausnutzung eines Informationsvorsprungs ausgesetzt sind und ihnen aus diesem Grund auch Indikatorwirkung zugesprochen wird. Auf der anderen Seite wird eine Beteiligung von Führungskräften am Unternehmen – bspw. über Aktienoptionsprogramme – aufgrund des Motivationseffekts gerade erwünscht. Daher wurde zurecht ein an Organmitglieder von börsennotierten Gesellschaften gerichtetes Verbot des Handels in Wertpapieren des eigenen Unternehmens als unverhältnismäßig eingestuft. Die Lösung des Konflikts soll in einer Offenlegungspflicht liegen, die den Informationsvorsprung der Organmitglieder ggü. dem Kapitalmarkt in gewissem Umfang ausgleichen soll ("Kapitalmarkttransparenz"). Der Europäische Gesetzgeber hat den Transparenzgedanken noch stärker betont und die Mitteilungspflichten in der MMVO weiter ausgebaut sowie erstmals ein Handelsverbot eingeführt.
2. Mitteilungspflichtige Tatbestände
a) Persönlicher Anwendungsbereich – Mitteilungspflichtige Personen
aa) Personen mit Führungsaufgaben
Rz. 111
Die Mitteilungspflicht des Art. 19 Abs. 1 MMVO richtet sich zunächst an Personen, die bei einem Emittenten Führungsaufgaben wahrnehmen.
Das gilt für Emittenten, die
▪ |
für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragt oder genehmigt haben, bzw. |
▪ |
im Falle von Instrumenten, die nur auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, für Emittenten, die eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem beantragt haben. |
Hinweis
Eine Meldepflicht besteht nur dann, wenn der Emittent die Zulassung der Finanzinstrumente zum Handel am MTF oder OTF beantragt oder genehmigt hat. Der Emittent muss an der Notierung seiner Finanzinstrumente aktiv beteiligt gewesen sein.
Nach Ansicht der BaFin kommen folgende Situationen für eine Meldepflicht in Betracht:
a) |
Emittenten, die selbst einen Antrag auf Zulassung/Einbeziehung zum Handel im MTF/OTF gestellt haben; |
b) |
Emittenten, die einen Dritten beauftragt haben, einen Antrag auf Zulassung/Einbeziehung zum Handel zu stellen; |
c) |
Emittenten, die die Zulassung/Einbeziehung ihrer Wertpapiere zum Handel durch einen Dritten genehmigt haben. |
Rz. 112
Eine Legaldefinition des Begriffs "Personen mit Führungsaufgaben" enthält Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 MMVO. Danach sind Personen mit Führungsaufgaben solche,
a) |
die einem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan dieses Unternehmens angehören oder |
b) |
die als höhere Führungskraft zwar keinem der vorgenannten Organe angehören, aber regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen mit direktem oder indirektem Bezug zu diesem Unternehmen haben und befugt sind, unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Unternehmens zu treffen. |
Rz. 113
Die erste Alternative erfasst Führungspersonen im formellen Sinn, also etwa Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Daneben erstreckt sich die Regelung auf sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind (Führungspersonen im materiellen Sinn).
Rz. 114
Was den Kreis der Führungspersonen im materiellen Sinne angeht, so steht dahinter die Überlegung, die sog. top executives zu erfassen, auch wenn sie – aufgrund unterschiedlicher Corporate Governance Strukturen in den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU – nicht Mitglieder eines Organs des Emittenten sind. Die BaFin hat zu Recht darauf verwiesen, dass diese Personen unternehmerische Entscheidungen treffen können müssen. Eine Mitteilungspflicht bestehe nur dann, wenn die betreffende Person strategische Entscheidungen für das Gesamtunternehmen treffen könne, ohne zuvor die Zustimmung des Vorstands einzuholen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass bei deutschen Aktiengesellschaften nur sehr wenige Personen von dieser Regelung betroffen sein werden; zu denken ist insofern an Generalbevollmächtigte eines Emittenten oder Mitglieder eines sog. erweiterten Vorstands. Erfasst sind aber au...