Dr. Jessica Hanke, Katja Schmitz
a) Konkurrenzen
Rz. 58
Der Gesetzgeber hat die kaufrechtliche Mängelhaftung in das Leistungsstörungsrecht eingebunden. Die §§ 434–442 BGB stellen Sonderregeln dar, die ihrerseits in das allgemeine Leistungsstörungsrecht zurückverweisen. Außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 434 ff. BGB findet allgemeines Leistungsstörungsrecht direkte Anwendung. Die Unmöglichkeit der Leistung des Verkäufers bei einem nicht behebbaren Mangel ist, wenn es zu keiner Übergabe der Sache oder Übertragung des Rechts kommt, nach den §§ 275, 283, 285, 311a BGB zu behandeln. Die Folgen einer Pflichtverletzung richten sich nach den §§ 280–284 BGB. So fällt die schuldhafte Verletzung von leistungsbezogenen Nebenpflichten, wie z.B. Aufklärungs-, Beratungs- und Verpackungspflichten, unter § 280 Abs. 1 BGB. Der Schadensersatzanspruch wegen Verzugs (§§ 286–288 BGB) ergibt sich ebenfalls aus § 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB. § 288 Abs. 1 BGB gewährt einen Anspruch auf Verzugszinsen, § 291 BGB auf Prozesszinsen. Auch den Schadensersatzansprüchen des Käufers aus c.i.c. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB) dient § 280 Abs. 1 BGB als Grundlage. Allerdings ist nach herrschender Auffassung die Anwendung von §§ 280 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB neben den §§ 434 ff. BGB ausgeschlossen, soweit die Pflichtverletzung fahrlässig ist und sich auf einen Mangel i.S.d. §§ 434, 435 BGB bezieht. Der Vorrang der Sachmängelhaftung ist in dem Interesse des Verkäufers an einer Nacherfüllung begründet. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB sind dagegen uneingeschränkt anwendbar bei Vorsatz des Verkäufers. Der vorsätzlich täuschende Verkäufer ist nicht schutzwürdig. Daher braucht ihm auch kein Recht zur zweiten Andienung gewährt zu werden. Die Irrtumsanfechtung durch den Käufer wegen Eigenschaften der Kaufsache nach § 119 Abs. 2 BGB ist ausgeschlossen, da die §§ 434 ff. BGB leges speciales sind. Der Ausschluss greift ab Gefahrübergang. Dagegen ist die Irrtumsanfechtung nach § 123 BGB zugelassen.
b) Sachmängel
Rz. 59
§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB stellt für den Sachmangel in erster Linie auf die vereinbarte Beschaffenheit ab. Liegt eine vertragliche Absprache vor, so ist allein diese ausschlaggebend. Ist keine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben, so kommt es auf die Eignung zur vertraglich vorausgesetzten Verwendung an (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB). Erst wenn es auch an einem vorausgesetzten Verwendungszweck fehlt, ist die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung entscheidend, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Sachmangels ist der Gefahrübergang (§§ 446, 447 BGB). Seit der Schuldrechtsreform können auch geringfügige Abweichungen einen Sachmangel begründen, wie z.B. die Lieferung von Dachziegeln in der Farbausführung "tiefschwarz" anstatt in dem bestellten Farbton "brillantschwarz". Allerdings ist die Erheblichkeit der Pflichtverletzung für die Begründung eines Rücktrittsrechts und eines großen Schadensersatzanspruchs (statt der Leistung) von Bedeutung (siehe Rdn 70, 74); so verneint der BGH ein Rücktrittsrecht bei einem Kraftstoffmehrverbrauch gegenüber den Herstellerangaben von weniger als 10 %. Bereits der Verdacht eines Mangels kann als solcher einen Mangel begründen.
aa) Beschaffenheitsvereinbarung
Rz. 60
Nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Sache mangelhaft, wenn ihr bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit fehlt.
Eine Beschaffenheitsvereinbarung setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft ei...