Dr. Jessica Hanke, Katja Schmitz
I. Der Kaufvertrag
1. Typische Sachverhalte
Rz. 1
Frau Schnell beabsichtigt, ihren gebrauchten BMW 325i an Herrn Alt zu verkaufen. Sie möchte den Kaufpreis möglichst in bar. Der Kaufvertrag soll vor der Übergabe unterzeichnet werden.
Im vorgenannten Fall teilt Herr Alt beim Übergabetermin mit, dass er aufgrund eines günstigeren Angebots vom Kauf Abstand nehme. Frau Schnell hält am Kaufvertrag fest und fordert Herrn Alt zur Zahlung des Kaufpreises auf.
Im erstgenannten Fall teilt Frau Schnell beim vereinbarten Übergabetermin mit, dass sie das Fahrzeug doch behalten wolle.
Frau Tosch beabsichtigt, ihr gebrauchtes Notebook für 800 EUR an Herrn Apfel zu verkaufen. Den Kaufpreis möchte Herr Apfel in monatlichen Raten à 160 EUR zahlen. Frau Tosch ist hiermit einverstanden, sie will sich aber die Eigentumsübertragung bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vorbehalten.
Im vorgenannten Fall erfolgten der Vertragsschluss und die Übergabe am 28.5.2020. Da Herr Apfel nur die erste Rate zahlte, rief Frau Tosch ihn mehrmals an, um weitere Zahlungen einzufordern. Obwohl Herr Apfel weitere Ratenzahlungen in Aussicht stellte, zahlte er nicht. Nachdem Frau Tosch am 8.9.2020 den Rücktritt vom Vertrag erklärt hatte, will sie das Notebook am 13.9.2020 abholen. Herr Apfel gibt das Notebook unter Hinweis auf den geschlossenen Kaufvertrag nicht zurück. Ferner erwähnt er, das Notebook an einen Bekannten verkaufen zu wollen.
Rz. 2
Herr Schmidt ist Eigentümer eines Gründerzeithauses in der Bonner Südstadt. Nachdem die Wir-Bauen-Alles-Neu-GmbH mangelhafte Sanierungsarbeiten durchgeführt hatte, wurde durch einen außergerichtlichen Vergleich eine einmalige Zahlung an Herrn Schmidt i.H.v. 50.000 EUR vereinbart. Da er dringend Bargeld benötigt, möchte Herr Schmidt diese Forderung an die Blitz Factoring GmbH verkaufen.
Frau Schnell, Frau Tosch und Herr Schmidt ersuchen anwaltlichen Rat.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 3
Die Vertragsparteien begründen mit dem Kauf ein auf den gegenseitigen Austausch von verkehrsfähigen Vermögensgütern gegen Geld angelegtes Schuldverhältnis. Die §§ 433–453 BGB enthalten die allgemeinen Vorschriften, die §§ 454–473 BGB regeln die besonderen Arten des Kaufs und die §§ 474–479 BGB befassen sich mit dem Verbrauchsgüterkauf.
a) Verbrauchsgüterkauf
Rz. 4
Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen sind unbedingt die Sonderregeln der §§ 474 ff. BGB zu beachten (ausführlich siehe Rdn 92 ff.).
b) AGB
Rz. 5
Die folgenden Ausführungen zum Kaufrecht beziehen sich nur auf Individualverträge. Für Allgemeine Geschäftsbedingungen siehe § 2 "Allgemeine Geschäftsbedingungen" in diesem Buch.
aa) Abschluss des Kaufvertrags
Rz. 6
Es gelten die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen (§§ 104 ff. BGB) und Verträge (§§ 145 ff. BGB). Notwendiger Inhalt des Kaufvertrags ist die genaue Bezeichnung der Sache. Darüber hinaus müssen sich die Vertragsparteien über die Höhe des Kaufpreises einig sein – andernfalls kommt, vorbehaltlich eines Leistungsvorbehalts, ein Kaufvertrag nicht zustande. Schriftform ist beim Kauf beweglicher Sachen grds. nicht erforderlich, aber zur Vermeidung von Unklarheiten und Beweisschwierigkeiten zu empfehlen.
bb) Kaufgegenstand
Rz. 7
Der Gesetzestext verwendet in § 433 Abs. 1 BGB zur Beschreibung des Kaufgegenstandes den Begriff "Sache". Sachen gem. § 90 BGB sind körperliche, im Raum abgrenzbare Gegenstände in jedem Aggregatzustand (z.B. Auto, Fruchtsaft oder Gasflasche). Gegenstand eines Kaufs können gem. § 453 Abs. 1 BGB auch Rechte und sonstige Gegenstände sein. Beim Kauf von Rechten finden seit der Schuldrechtsreform die §§ 433 ff. BGB entsprechende Anwendung (§ 453 Abs. 1 BGB), also auch die Regeln über die Mängelhaftung, die Garantie und die Gefahrtragung. Als Rechte i.S.d. § 453 Abs. 1 BGB kommen unter anderem künftige, bedingte oder dingliche Rechte, insbesondere Forderungen, Anwartschaften, gewerbliche Schutzrechte, subjektiv-öffentliche Rechte und Anteile an Sachen, Rechten, Gesellschaften oder Gemeinschaften in Betracht, vorausgesetzt sie sind übertragbar. Dagegen zählt der Besitz nicht zu den Rechten. Unter den Begriff der sonstigen Gegenstände fallen beispielsweise Strom, Wasser, Gas und Wärme. Auch Standardsoftware unterliegt, soweit im Einzelfall nicht schon der Kauf einer Sache im Ganzen vorliegt, jedenfalls nach § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB den kaufrechtlichen Vorschriften. Immaterialgüter, wie z.B. Informationen, Werbeideen, Know-how oder Domain-Adressen, die keine Rechte darstellen, sind ebenfalls als sonstige Gegenstände i.S.d. § 453 Abs. 1 BGB einzuordnen. Überdies zählen zu den sonstigen Gegenständen auch freiberufliche Praxen, Unternehmen und Unternehmensteile als Zusammenfassung persönlicher und sachlicher Mittel (zum Unternehmenskauf siehe § 42).