Dr. Jessica Hanke, Katja Schmitz
Rz. 107
§ 477 BGB bestimmt die Beweislastumkehr zugunsten des Käufers. Wenn sich der Sachmangel innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang zeigt, wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war.
Dem EuGH zufolge muss nach der Vermutungsregelung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie der Verbraucher nur das Vorliegen einer binnen sechs Monaten seit Lieferung aufgetretenen Vertragswidrigkeit beweisen, nicht aber deren Grund. Daher müsse der Verkäufer beweisen, dass die Vertragswidrigkeit bei Lieferung noch nicht vorlag, sondern ihren Grund in einem nach Lieferung eingetretenen Umstand hat. Der BGH hat daraufhin seine Rechtsprechung angepasst: Demnach soll die Vermutungswirkung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung eingreifen, wenn der Käufer nachweist, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand gezeigt hat, der bei Unterstellung der Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Zustand die Haftung des Verkäufers begründen würde.
Rz. 108
Die Beweislast für die Ausnahmen von dieser Beweislastumkehr in § 477 Hs. 2 BGB trägt der Verkäufer. Als Ausschlusskriterien kommen die Unvereinbarkeit der Rückwirkungsvermutung mit der Art der Sache (z.B. leicht verderbliche Sachen wie Obst, Gemüse, Schnittblumen oder Sachen mit Verschleißcharakter wie Kleidung oder Gebrauchtwagen) oder mit der Art des Mangels (z.B. deutlich sichtbare Mängel an der Oberfläche des Kaufgegenstands) in Betracht. Nach Ansicht des BGH steht die Wesensart von Tieren der Anwendung von § 477 Hs. 2 BGB grds. nicht entgegen; sie könne jedoch wegen der Art des Mangels bei bestimmten Tierkrankheiten ausgeschlossen sein. Dies sei z.B. der Fall, wenn der Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit ungewiss sei, so dass nicht geklärt werden könne, ob die Ansteckung vor oder nach Auslieferung an den Käufer erfolgte. Anders verhalte es sich bei einer allergischen Reaktion des Pferdes auf Mückenstiche. Hier sei durchaus feststellbar, ob das Pferd unter dieser Allergie bereits vor Gefahrübergang gelitten habe, auch wenn die Allergie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wegen des saisonbedingt fehlenden Kontaktes mit Mücken nicht sichtbar sein konnte.
Die Anwendung der Beweislastumkehr gem. § 477 BGB wird nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Verbraucher die gekaufte Sache durch einen Dritten einbauen lässt.
Ein Anspruch des Käufers aus §§ 434, 437 ff. i.V.m. § 477 BGB ist ausgeschlossen, wenn der Käufer den dem Verkäufer obliegenden Beweis des Gegenteils vereitelt.